Visite
von lateinisch: visitare - besuchen
Definition
Unter der Visite versteht man in der Medizin den Besuch eines Patienten durch einen oder mehrere Ärzte. Der Begriff wird sowohl im stationären (Stationsvisite, hier meist in Begleitung von Pflegepersonal) als auch im ambulanten Bereich (Hausbesuch) gebraucht.
Im Gegensatz hierzu wird der Besuch eines Patienten beim Arzt als Konsultation bezeichnet.
Zweck und Inhalt einer Visite
Die Visite findet meist in Form eines einmal täglichen Gespräches mit z.T. begleitenden Untersuchungen statt. Hierbei sollte auf die Wahrung der Intimsphäre des Patienten geachten werden. Sie ist ein zentraler Teil des Arbeitsablaufes, bei dem Krankheitsbeschwerden, Diagnosen und Therapieoptionen bzw. weiteres Vorgehen erhoben, besprochen und gemeinsam festgelegt werden.
Besonderheiten einer Visite
Krankenhausvisiten sind i.d.R. sehr auf die Anliegen des Arztes, zu Lasten der Anliegen des Patienten, ausgerichtet. Kennzahlen zeigen, dass:
- eine Visite im Durchschnitt ca. 3-4 Minuten dauert,
- der Arzt dabei doppelt soviel redet als der Patient,
- der Arzt 6-8 Fragen, der Patient dagegen nur 1-2 Fragen stellt,
- durchnittlich 3 Personen (+ Patient) an der Visite teilnehmen,
- die Visite maßgebend durch das Rollenverständnis der Interaktionspartner geprägt ist,
- etwa jede 2. Visite im Ablauf unterbrochen wird,
- der Patient sich nach dem Gespräch an etwa nur 10-30 % des Inhaltes erinnern kann.
Folgen daraus sind z.B., dass:
- das Anliegen des Patienten nicht zur Sprache kommt - in mehr als 50% der Fälle stimmen die Ansichten über das hauptsächliche Gesundheitsproblem des Patienten nicht überein. Der Patient traut sich vielleicht auch nicht, das Wort zu ergreifen.
- dem Arzt für weitere Planungen der Diagnostik oder Therapie bedeutsame Informationen verloren gehen,
- ein unterschwelliger Konflikt durch Unzufriedenheit entsteht (Dinge, die man auf beiden Seiten nun nicht habe klären können),
- Ärzte nahezu nichts über die emotionale Bedeutung, ggf. Belastung, einer Erkrankung für den Patienten erfahren,
- dem Patienten die Chance genommen wird, Anleitung und Hilfe beim Zurechtfinden in der Krankenrolle zu erfahren,
- der Patient den Aufklärungen und Anweisungen nicht folgen kann (Non-Compliance).
Weitere Begriffsverwendungen
Sonderformen der normalen "Stationsvisite" sind:
- die Chefarztvisite, bei der sich der Chefarzt, meist einmal wöchentlich, über die auf seiner Station befindlichen Patienten informiert und nicht selten Unterricht am Krankenbett gibt,
- die Kurvenvisite, bei der umstandsbedingt die Akte des Patienten (z.B. Pflegedokumentation, Medikationsbogen, Fieberkurve, Befunde) und nicht der Patient selbst angesehen wird,
- die Prämedikationsvisite der Anästhesisten, bei der Anamnese, Besonderheiten und Ängste des Patienten vor einer Planung eines Anästhesieverfahrens (Narkose) erhoben werden.
Weiterhin ist der Begriff im Sinne von Monitoring-Besuchen z.B. im Rahmen klinischer Studien gebräuchlich. Als Instrument der Qualitätskontrolle monitoriert ein in- oder externer Mitarbeiter, ob entsprechende Vorgaben Prüfplan-, SOP- (Standard Operating Procedures) und GCP-konform (Good Clinical Practice) eingehalten bzw. umgesetzt werden und sog. Source Data (Rohdaten) komplett und nachvollziehbar dokumentiert sind.
Darüber hinaus ist "Visite" ein Ratgebermagazin des Norddeutschen Rundfunks (kurz "NDR"), das verschiedene Themen rund um die menschliche Gesundheit und der medizinischen Entwicklung aufgreift.
Quellen
- Linus S. Geisler: Arzt und Patient im Gespräch - Wirklichkeit und Wege. Vortrag am 10. Mai 1989 in Berlin. Heft 7, Gesundheitspolitische Gespräche Schering, 1989.
- A.J. Rüdiger: Das ärztliche Visitengespräch in der Onkologie - eine Feldstudie unter formal-quantitativen und qualitativen Gesichtspunkten.. 2011. Med. Dissertation, Universität Greifswald.
- C. Jährig, U. Koch: Die Arzt-Patienten-Interaktion in der internistischen Visite eines Akutkrankenhauses: Eine empirische Untersuchung.. 1982 In: K. Köhle, H.-H. Raspe (Hrsg.): Das Gespräch während der ärztlichen Visite. Urban & Schwarzenberg, München – Wien – Baltimore, S. 36-57.
- M. Sator, A. Gstettner, B. Hladschik-Kermer: Seitdem mir der Arzt gesagt hat ‚Tumor‘ – Das war’s. Arzt-Patient-Kommunikation an der onkologischen Ambulanz. Eine sprachwissenschaftliche Pilotstudie zu Problemen der Verständigung. Wien Klin Wochenschr 2008, 120/5-6: S. 158-170.
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