Stabilitätsprüfung (Pharmazie)
Englisch: stability testing
Definition
Eine Stabilitätsprüfung dient der Feststellung der Stabilität und Haltbarkeit eines Arzneimittels. Sie wird im Rahmen der Arzneimittelentwicklung standardmäßig durchgeführt.
Haltbarkeit
Arzneimittel unterliegen chemischen, physikalischen und mikrobiellen Zersetzungen. Eine Zersetzung führt zu einem Rückgang der Wirkstoffkonzentration. Dadurch wird die Wirksamkeit gemindert.
Es wird eine Haltbarkeitsdauer von 5 Jahren angestrebt, innerhalb derer der Wirkstoffgehalt des Arzneimittels 90 % des Ausgangswertes nicht unterschreiten darf.
Die Haltbarkeit ist abhängig von den Lager- und Umweltbedingungen und unterscheidet sich somit in verschiedenen Regionen der Erde. Um diese zu standardisieren, hat das International Commitee of Harmonization (ICH) vier Klimazonen definiert, die in folgender Tabelle charakterisiert sind:
Zone | Charakterisierung | kinetische Durchschnittstemperatur in °C | relative Luftfeuchtigkeit in % rF |
---|---|---|---|
1 | gemäßigt | 21 | 45 |
2 | mediterran, subtropisch | 25 | 60 |
3 | heiß-trocken | 30 | 35 |
4 | heiß-feucht, tropisch | 30 | 65 |
Zone 1 entspricht nordeuropäischen Ländern und Zone 2 den südeuropäischen Ländern sowie den USA. In den hiesigen Breiten werden Arzneimittel für Zone 2 entwickelt. Die Einteilung in Klimazonen ist für die Durchführung der Stabilitätstest relevant, da diese die Lagerbedingungen definieren.
Instabilitäten
Während der Lagerzeit können verschiedene Arten an Instabilitäten auftreten, welche die Haltbarkeit beeinflussen:
- chemische Instabilität: Chemische Reaktionen führen zur Verringerung der Arzneistoffkonzentration. Am häufigsten handelt es sich um Hydrolyse- und Oxidationsreaktionen.
- physikalische Instabilität: Die Homogenität des Arzneimittels wird beeinträchtigt. Diese Form der Instabilität ist Arzneiformen-spezifisch (z.B. Sedimentation bei einer Suspension oder Auskristallisation aus einer Lösung)
- mikrobielle Instabilität: Das Wachstum von Mikroorganismen beeinträchtigt die Qualität des Arzneimittels.
Eine Stabilisierung erfolgt in der Regel durch den Zusatz von Hilfsstoffen (z.B. Antioxidanzien, Puffer, Verdickungsmittel, Konservierungsmittel und andere).
Durchführung
Im Rahmen der Arzneimittelentwicklung ist es nicht zweckmäßig, das Arzneimittel für die angestrebte Haltbarkeitsdauer (5 Jahre) einzulagern und anschließend die Wirkstoffkonzentration zu überprüfen, da dieses Vorgehen die Zulassungspraxis herauszögern würde.
Deshalb wurde eine Methode entwickelt, mit welcher die angestrebte Mindesthaltbarkeitsdauer bestätigt werden kann, ohne dass das Arzneimittel für den gesamten Zeitraum eingelagert wird.
Es werden Kurzzeit-Stabilitätsuntersuchungen ("Stress-Tests", Dauer von 4 Monaten) und Langzeit-Stabilitätstests (Dauer von 2 Jahren) durchgeführt, wobei die Ergebnisse der Langzeit-Tests auch nach der erfolgten Zulassung nachgereicht werden können. Die Untersuchungen finden bei höheren Temperaturen statt, als sie in den Klimazonen definiert sind, um sie dann auf die definierten Temperaturen zu extrapolieren. Man setzt das Arzneimittel also "schärferen" Bedingungen aus, um die kürzere Lagerdauer zu kompensieren.
Bei Stabilitätstests fungiert die Wirkstoffkonzentration als Messgröße, die laut Definition während der Haltbarkeitsdauer 90% des Ausgangswertes nicht unterschreiten darf. Sie ist ein Maß für chemische und für die meisten physikalischen Instabilitäten.
Die Abbaureaktion wird als ein Prozess pseudoerster Ordnung angesehen. Die Zeit, zu der sich im Arzneimittel nur noch 90% des Ausgangswertes befinden, lässt sich mit folgender Gleichung berechnen (die Herleitung erfolgt analog zur Halbwertszeit):
Formel |
---|
t90% = 0,105 / k |
t90% = Zeit, bei welcher 90% der Ausgangskonzentration unterschritten werden k = Geschwindigkeitskonstante |
Um die Haltbarkeitsdauer zu berechnen, muss also die Geschwindigkeitskonstante ermittelt werden. Als Grundlage hierfür wird die Arrhenius-Gleichung verwendet:
Formel |
---|
k = A*e-EA/R*T |
mit k = Geschwindigkeitskonstante EA = Aktivierungsenergie R = Allgemeine Gaskonstante T = absolute Temperatur |
Das Arzneimittel wird bei höheren Temperaturen vermessen und auf eine geringere Temperatur extrapoliert.
Die Messung erfolgt bei vier Temperaturen; für jede Temperatur wird über kinetische Messungen der Geschwindigkeitskoeffizient bestimmt. Diese Geschwindigkeitskoeffizienten werden gemäß der Arrhenius-Gleichung in ein Diagramm der Auftragung log(k) gegen 1/T eingetragen. Eine Regressionsgerade wird ermittelt, welche auf eine Temperatur von 25 °C (Klimazone 2) extrapoliert wird. Man erhält die Geschwindigkeitskonstante für eine Temperatur von 25 °C, welche in obige Gleichung für t90% eingesetzt wird, um die Haltbarkeitsdauer zu ermitteln.
Bei mikrobiologischen Untersuchungen erfolgt das Anlegen einer Kultur, um die mikrobielle Kontamination festzustellen.
Es gibt auch spezielle Stabilitätsprüfungen:
- Schaukeltest: Bei manchen Arzneiformen (z.B. Salben, Suppositorien) können keine warmen Temperaturen angewandt werden, da sie schmelzen würden. Diese werden im Rahmen des Schaukeltests periodisch wechselnden Temperaturen ausgesetzt (z.B. zwischen 5 und 35 °C)
- Bei oxidationsempfindlichen Arzneistoffen kann eine Bestrahlung mit einer Xenonlampe erfolgen, um den Erfolg von Lichtschutzmaßnahmen (z.B. Braunglasflasche) und die Lichtechtheit zu überprüfen.
- Emulsionen und Suspensionen können während der Lagerung mechanischem Stress ausgesetzt werden. Bei festen Arzneiformen können Abrieb-Tests durchgeführt werden.
Folgestabilität
Auch nach erfolgter Zulassung werden regelmäßig Proben aus verschiedenen Chargen gezogen und nach oben geschildertem Vorgehen gelagert und evaluiert. Dieses Vorgehen dient dazu, die Stabilität aller Chargen abzubilden und zu gewährleisten.
Literatur
Bauer, Frömmig, Führer: Pharmazeutische Technologie. Mit Einführung in die Biopharmazie. 10. Auflage, Stuttgart 2017
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