Opioidkrise
Englisch: opioid crisis
Definition
Als Opioidkrise bezeichnet man einen epidemischen Opioidmissbrauch und die damit verbundenen Folgeerkrankungen und Todesfälle. Der Begriff bezog sich ursprünglich auf entsprechende Entwicklungen in den USA und Kanada seit dem Jahr 2000, ist aber nicht auf diese beschränkt.
Epidemiologie
Die Opioidkrise wird durch den Missbrauch von verschreibungspflichtigen Opioiden und die leichte Verfügbarkeit von illegalen Opioiden, wie Fentanyl und Heroin, getrieben. Im Jahr 2017 starben in den USA mehr als 70.000 Menschen durch Überdosierungen, etwa 47.000 davon opioidbedingt. Der Anteil der Todesfälle durch synthetische Opioide wie Fentanyl stieg rapide, zwischen 2016 und 2017 um etwa 45 %. In Kanada wurden 2017 rund 4.000 opioidbedingte Todesfälle gemeldet, was einer fünfmal höheren Letalitätsrate als in der EU entspricht.
Ursachen
Die Ursachen der Opioidkrise sind multifaktoriell und beinhalten:
- Übermäßige Verschreibung von Opioiden: Ärzte verschrieben vermehrt Opioide bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen, oft ohne ausreichende Beachtung des Suchtpotentials.
- Pharmamarketing: Aggressives Marketing durch einige Pharmaunternehmen führte zur weit verbreiteten Akzeptanz von Opioiden als Schmerzmittel.
- Fehlannahmen: Falsche Überzeugungen, dass Opioide bei chronischen Schmerzen ein geringes Abhängigkeitspotential besitzen, begünstigten den unkritischen Einsatz.
- Verfügbarkeit synthetischer Opioide: Insbesondere illegale Fentanylderivate sind seit Jahren Haupttreiber der steigenden Letalität.
Bewältigungsmaßnahmen
Zur Bewältigung der Krise wurden verschiedene Maßnahmen eingeführt:
- Medikamentengestützte Therapie (MAT): Einsatz von Substitutionsmedikamenten wie Methadon, Buprenorphin und Naltrexon.
- Überwachungsprogramme: Einführung von Programmen zur Verschreibungsüberwachung (PDMPs), um unangemessene Opioidverschreibungen zu reduzieren.
- Missbrauchsabschreckende Formulierungen: Entwicklung von Opioiden, die den Missbrauch durch Modifikationen wie Gelbildung oder den Zusatz von Opioid-Antagonisten erschweren.
- Naloxon-Verteilung: Weitreichender Einsatz von Naloxon zur Behandlung akuter Opioidüberdosierungen.
Unterschiede zwischen den USA und Europa
Während in Europa die Opioidverschreibungen ebenfalls zunehmen, blieb die Letalitätsrate vergleichsweise niedrig. Gründe hierfür sind strengere Verschreibungsrichtlinien und Leitlinien wie LONTS (Langzeit-Opioidtherapie bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen) in Deutschland. Zusätzlich herrschte eine höhere Sensibilität gegenüber Nebenwirkungen und eine bevorzugte multimodale Schmerztherapie.
Quelle
- Preuss et al., Die Opioidkrise in den USA: Ausmaß, Ursachen, Gegenmaßnahmen und die europäische Situation im Vergleich, Suchttherapie, 2020; 21: 85–97