Oncogene Addiction
Definition
Oncogene Addiction, deutsch Onkogen-Abhängigkeit, beschreibt die Abhängigkeit von Tumorzellen von einem bzw. wenigen Driver-Onkogenen zur Aufrechterhaltung ihres malignen Phänotyps. Auch wenn Tumore viele genetische oder epigenetische Veränderungen aufweisen, können sie in vielen Fällen ihre Überlebensfähigkeit verlieren, wenn dieses zentrale Onkogen gehemmt wird.
Hintergrund
Der Begriff wurde erstmals von Bernard Weinstein geprägt. Er beobachtete, dass die Inaktivierung eines dominanten Onkogens das Tumorwachstum drastisch bremsen oder sogar zum Rückgang des Wachstums führen kann.
Trotz vieler Mutationen stützen sich bestimmte Tumore häufig auf einen oder wenige Haupttreiber. Wird dieser blockiert, etwa durch eine gezielte Therapie, kommt es zur Tumorzellregression. Nach Inhibition des Onkogens brechen Überlebenssignale rasch ein, während proapoptotische Signale länger persistieren. Dies führt letztlich zum Absterben der Tumorzellen und wird auch als "oncogenic shock" bezeichnet.
Neben den zellautonomen Prozessen wie Apoptose unterstützen auch immunvermittelte Mechanismen – etwa CD4⁺ T‑Zellen – die andauernde Tumorreduktion nach Onkogen-Inaktivierung. Ohne effektive Immunantwort kann ein Tumor zurückkehren.
Beispiele
In verschiedenen klinischen Settings konnte eine Oncogene Addiction nachgewiesen werden, beispielsweise bei
- nicht‑kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC): Tumoren mit Mutationen in EGFR, ALK, ROS1, BRAF oder RET zeigen gute Ansprechraten auf Tyrosinkinasehemmer (obwohl später teilweise Resistenzmechanismen auftreten)
- chronischer myeloischer Leukämie (CML): CML wird durch das BCR‑ABL-Fusionsprotein (Philadelphia‑Chromosom) getrieben. Die Behandlung mit Imatinib (einem BCR‑ABL‑Inhibitor) führt häufig zu nahezu vollständigen Remissionen
Weitere Beispiele sind KIT-Aktivierungen bei GI-Stromatumoren oder BRAF-Mutationen bei Melanomen.
Grenzen der Wirksamkeit
Begrenzend für die zielgerichtete Therapie von Tumoren mit Oncogene Addiction sind:
- Resistenzen durch Zweitmutationen, z. B. Gatekeeper-Mutationen in BCR‑ABL oder EGFR, die eine Inhibitorbindung verhindern
- Bypass-Signale: Aktivierung alternativer Signalkaskaden (z.B. MET‑Gestartet) macht Zellen unabhängig.
- Tumorstammzellen: Bei der CML überleben einige resistente Stammzellen trotz Therapie – ohne jemals "addicted“ gewesen zu sein.
Einige Autoren unterscheiden Oncogene Addiction (Abhängigkeit von Onkogenen) und Non-oncogene Addiction (Abhängigkeit von Stress-Antwort- oder Überlebenswegen). Beide bieten therapeutische Angriffspunkte, insbesondere an Immuncheckpoints. Da der langfristige Therapie-Erfolg oft durch Resistenzmechanismen begrenzt ist, wird in aktuellen Forschungsansätzen verstärkt auf Kombinationstherapie und auch immunologische Faktoren gesetzt, z.B. in Verbindung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren (Stand 2025).
Literatur
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