Nicht-Inselzell-Tumor-Hypoglykämie
Englisch: non-islet-cell tumor hypoglycemia
Definition
Bei der Nicht-Inselzell-Tumor-Hypoglykämie, kurz NICTH, handelt es sich um seltenes paraneoplastisches Syndrom, bei dem es aufgrund einer ektopen Sekretion einer Insulin-like-growth-factor-2-Vorstufe zur hypoinsulinämischen Hypoglykämie kommt. Es kann im Rahmen einer Vielzahl benigner und maligner Tumoren auftreten.
Abgrenzung
Das Doege-Potter-Syndrom wird oft synonym zur NICTH verwendet. Klassicherweise liegt ein Doege-Potter Syndrom jedoch vor, wenn ein fibröser Primärtumor im Bereich des Thorax vorliegt.
Epidemiologie
Es handelt sich um ein sehr seltenes Krankheitsbild. Bis zum Jahr 2014 wurde in der englischsprachigen Literatur lediglich über etwa 290 Fälle berichtet.
Ätiologie
Ursächlich für das Krankheitsbild ist die Sekretion von sogenanntem high molecular weight IGF-2 mit potenter Insulin-ähnlicher Aktivität, was eine Hypoglykämie hervorruft. Normalerweise handelt es sich bei IGF-2 um ein Molekül mit einem Molekulargewicht von 7,5 kDa, im Falle einer NICTH beträgt es etwa 10 bis 20 kDa.
Eine früher bestehende Theorie, dass die Hypoglykämie durch eine vermehrte Glukosemetabolisierung großer Tumore entsteht, ist überholt.
Symptome
Nach aktuellen Studien zeigen knapp die Hälfte der Fälle initial eine Hypoglykämie als Erstmanifestation des Tumors. In den übrigen 52 % der Fälle ist das Tumorleiden bereits vor Auftreten einer Hypoglykämie bekannt.
Insgesamt scheinen häufiger hypoglykämiebedingte neurologische als autonome Symptome aufzutreten.
Diagnose
Eine NICTH sollte bei Patienten in Betracht gezogen werden, bei denen keine Ursache für rezidivierende hypoglykämische Episoden gefunden werden kann. Wegweisend kann eine positive Whipple-Trias sein.
Typische laborchemische Veränderungen sind:
- niedrige Serum-Glukose: < 55 mg/dL
- niedriges Insulin: < 3 μU/mL
- niedriges Proinsulin: < 5 pmol/L
- niedriges C-Peptid: < 0.2 nmol/L
- niedriges β-Hydroxybutyrat: < 2.7 mmol/L
- erniedrigte GH-Spiegel
- fehlender Nachweis im Screening auf Medikamente, die eine Hypoglykämie verursachen
In Abhängigkeit vom verwendeten Assay können die IGF-2-Spiegel erhöht sein, dies ist jedoch nicht obligat (Referenzbereich: 275 bis 750 ng/mL, je nach Laborstandard). Wenn die IGF-2-Spiegel normal sind, sind die IGF-1-Spiegel klassischerweise erniedrigt (< 100 ng/mL), wodurch das Verhältnis von IGF-2 zu IGF-1 auf mehr als 10:1 erhöht ist (Referenzbereich: 3:1).
Quellen
- Bodnar, T. W., Acevedo, M. J., & Pietropaolo, M.: Management of non-islet-cell tumor hypoglycemia: a clinical review. The Journal of clinical endocrinology and metabolism, 99(3), 713–722, 2014