Minnesota Multiphasic Personality Inventory
Definition
Das Minnesota Multiphasic Personality Inventory, kurz MMPI, ist ein Selbstbeurteilungsfragebogen zur Erfassung von Persönlichkeitsmerkmalen und psychopathologischen Auffälligkeiten. Es dient vor allem der klinischen Diagnostik, der forensischen Begutachtung sowie der wissenschaftlichen Forschung.
Hintergrund
Der MMPI wurde in den 1930er- und 1940er-Jahren von Starke R. Hathaway und J. C. McKinley an der University of Minnesota entwickelt. Ziel war die Konstruktion eines empirisch fundierten Verfahrens zur Unterstützung psychiatrischer Diagnosen.
Charakteristisch ist der empirische Konstruktionsansatz ("criterion-keying"): Items wurden anhand ihrer diskriminativen Trennschärfe gegenüber klinischen Vergleichsgruppen ausgewählt, nicht primär auf Basis theoretischer Persönlichkeitsmodelle. Bereits früh wurde die eingeschränkte Repräsentativität der ursprünglichen Normstichproben (z.B. geringe Diversität hinsichtlich Alter, ethnischer und sozioökonomischer Hintergründe) kritisch diskutiert, was zu späteren Revisionen beitrug.
Formen
Im Verlauf der Weiterentwicklung entstanden mehrere Versionen, u.a.:
- MMPI (Originalversion, 1943)
- MMPI-2 (überarbeitete Fassung, 1989)
- MMPI-2-RF (restructured form)
- MMPI-3 (aktuellste englischsprachige Version)
- MMPI-A (Adaptation für Jugendliche)
Neuere Versionen (z.B. MMPI-2-RF, MMPI-3) wurden hinsichtlich der Testökonomie optimiert, um Bearbeitungsdauer und Ermüdungseffekte zu reduzieren.
Aufbau
Der MMPI besteht aus einer Vielzahl dichotomer Items (Antwortformat: „richtig“/„falsch“). Die Items sind in verschiedenen Skalen zusammengefasst.
Validitätsskalen
Sie dienen der Einschätzung der Testgültigkeit und möglicher Antwortverzerrungen, z.B.:
- Erfassung sozial erwünschter Antworttendenzen
- Hinweis auf Simulation oder Aggravation
- Erkennung inkonsistenter oder zufälliger Antwortmuster
- Identifikation defensiver oder bagatellisierender Antwortstile
Klinische Skalen
Die klassischen klinischen Skalen erfassen typische psychopathologische Muster, u.a.:
- Hypochondrie
- Depression
- Hysterie
- Psychopathische Abweichung
- Paranoia
- Psychasthenie
- Schizophrenie
- Hypomanie
- Soziale Introversion
- Masculinity/Femininity
In den klassischen Versionen umfasst der MMPI insgesamt zehn klinische Hauptskalen, die durch zahlreiche Zusatz- und Inhaltsdimensionen ergänzt werden.
Zusatz- und Inhalts-Skalen
In neueren Versionen wurden zusätzliche Skalen eingeführt, z.B.:
- Inhalts- und Problemskalen
- Restructured-Clinical-Skalen (RC-Skalen)
- Spezifische Skalen zu internalisierenden und externalisierenden Problemkonstellationen
Auswertung
Die Auswertung erfolgt über die Transformation der Rohwerte in standardisierte T-Werte (M = 50, SD = 10) anhand normierter Vergleichsstichproben. Die Ergebnisse werden stets im Kontext der Gesamtanamnese, psychischen Untersuchung und weiterer diagnostischer Verfahren interpretiert. Der MMPI liefert keine Diagnose, sondern dient der strukturierten Hypothesenbildung.
Anwendungsgebiete
Der MMPI wird vor allem in der klinischen Psychologie und Psychiatrie zur differenzierten Erfassung von Persönlichkeitsstruktur und psychopathologischen Merkmalen eingesetzt. Weitere Anwendungsbereiche sind die forensische Psychologie, insbesondere im Rahmen von Begutachtungen, sowie die psychosomatische Medizin und die psychologische Forschung.
Der Einsatz in der Personalauswahl ist aufgrund ethischer, datenschutzrechtlicher und inhaltlicher Bedenken umstritten und wird in der Fachliteratur überwiegend kritisch bewertet. In vielen Ländern unterliegt der Einsatz psychologischer Testverfahren in diesem Bereich zudem spezifischen arbeits- und datenschutzrechtlichen Restriktionen.
Vorteile
Zu den zentralen Stärken des MMPI zählen seine hohe empirische Fundierung, die große internationale Verbreitung, umfangreiche Normierungsdaten sowie die Integration von Validitätsskalen zur Kontrolle von Antwortverzerrungen. Durch seine differenzierte Skalenstruktur erlaubt er eine umfassende Beschreibung psychischer Auffälligkeiten und Persönlichkeitsmerkmale.
Limitationen
Limitationen ergeben sich insbesondere aus der Testlänge und dem damit verbundenen hohen Zeit- und Konzentrationsaufwand. Zudem waren frühere Normstichproben teilweise eingeschränkt repräsentativ. Ein weiteres Risiko besteht in einer isolierten oder schematischen Auswertung ohne ausreichende klinische Kontextualisierung. Zwar adressieren neuere Versionen diese Problematik durch überarbeitete Normierungen und kürzere Testformate, eine professionelle Interpretation durch entsprechend geschulte Fachpersonen bleibt jedoch essenziell.
Quellen
- Floyd et al. The Minnesota Multiphasic Personality Inventory. In: StatPearls. NCBI Bookshelf. 2023
- Ben-Porath und Tellegen. MMPI-3 Technical Manual. University of Minnesota Press. 2020