Minimalinvasive endoskopische intrazerebrale Blutungsevakuierung
Definition
Die minimalinvasive endoskopische intrazerebrale Blutungsevakuierung ist ein neurochirurgisches bzw.neuroendoskopisches Verfahren zur Entfernung eines intrazerebralen Hämatoms über einen kleinen transkraniellen Zugang. Es sorgt für eine möglichst geringe Traumatisierung des umgebenden Gewebes. Mithilfe eines Arbeitskanals und eines Endoskops wird das Hämatom unter Sicht sukzessive abgesaugt wobei Blutungsquellen koaguliert werden.
Indikation
Ziel ist es, den Masseeffekt zu reduzieren und sekundäre Hirnschädigungen durch Blutabbauprodukte zu begrenzen, Das Verfahren wird vor allem bei lobären spontanen intrazerebralen Blutungen mittleren bis größeren Ausmaßes eingesetzt, insbesondere bei klinischer Verschlechterung oder ausgeprägtem Masseeffekt. Die Evidenzlage ist für tiefe Blutungen (z.B. Basalganglien, Thalamus) bislang begrenzt. Infratentorielle Blutungen (z.B. Kleinhirnblutungen) werden in der Regel offen dekomprimiert.
Durchführung
Nach präoperativer CT- oder MRT-Bildgebung wird ein transsulkaler, parafaszikulärer Zugang geplant. Über eine Minikraniotomie oder ein erweitertes Bohrloch wird ein Arbeitskanal geschaffen, durch den ein starres oder flexibles Endoskop in die Hämatomkaverne vorgeschoben wird. Das koagulierte und flüssige Blut wird aspiriert, aktive Blutungsquellen werden bipolar koaguliert.
Ein Variante ist die SCUBA-Technik, bei welcher die Kaverne mit isotonischer Kochsalzlösung aufgefüllt wird.[1]
Ergebnisse
Studien wie die ENRICH-Studie (2024)[2] zeigen für lobäre Blutungen eine signifikante Verbesserung funktioneller Ergebnisse gegenüber rein konservativer Therapie. Die MISTIE-III-Studie (2019)[3] konnte für katheterbasierte Verfahren zwar eine effektive Volumenreduktion, jedoch keinen signifikanten Nutzen im primären funktionellen Endpunkt nachweisen. Internationale Leitlinien[4] bewerten die endoskopische Hämatomevakuierung als mögliche Behandlungsoption bei ausgewählten Patienten in erfahrenen Zentren.
Komplikationen
Mögliche Komplikationen sind Residualhämatome, Nachblutungen, Infektionen und epileptische Anfälle. Systemische Komplikationen wie Pneumonie oder tiefe Venenthrombosen treten nach minimalinvasiven Verfahren tendenziell seltener auf als nach offener Kraniotomie.
Kontraindikationen
- Kleine Blutungen ohne Masseeffekt
- Terminale klinische Situation
- Nicht korrigierbare Koagulopathie
Prognose
Bei geeigneter Indikation kann das Verfahren die funktionellen Ergebnisse verbessern und die Mortalität senken. Besonders bei lobären Blutungen wird eine frühzeitige Evakuation (innerhalb von 24 Stunden nach Symptombeginn) empfohlen.
siehe auch: intrazerebrale Blutung, Neuroendoskopie
Quellen
- ↑ Shapiro SD, Alkayyali M, Reynolds A, Reilly K, Selim M, Dangayach N, Mocco J, Kellner CP, Liang JW. Stereotactic IntraCerebral Underwater Blood Aspiration (SCUBA) Improves Survival Following Intracerebral Hemorrhage as Compared with Predicted Mortality. World Neurosurg. 2022 May;161:e289-e294. doi: 10.1016/j.wneu.2022.01.123. Epub 2022 Feb 5. PMID: 35134583.
- ↑ Pradilla G, Ratcliff JJ, Hall AJ, et al. Trial of Early Minimally Invasive Removal of Intracerebral Hemorrhage. N Engl J Med. 2024;390(14):1277-1289. doi:10.1056/NEJMoa2308440
- ↑ Ziai WC, McBee N, Lane K, et al. A randomized 500-subject open-label phase 3 clinical trial of minimally invasive surgery plus alteplase in intracerebral hemorrhage evacuation (MISTIE III). Int J Stroke. 2019;14(5):548-554. doi:10.1177/1747493019839280
- ↑ Greenberg SM, Ziai WC, Cordonnier C, et al. 2022 Guideline for the Management of Patients With Spontaneous Intracerebral Hemorrhage: A Guideline From the American Heart Association/American Stroke Association. Stroke. 2022;53(7):e282-e361. doi:10.1161/STR.0000000000000407