Funikulolyse
Synonym: Funiculolysis
Definition
Die Funikulolyse ist die operative Mobilisierung des Funiculus spermaticus (Samenstrang) und die Durchtrennung der Samenstranghüllen.
Indikation
Wichtigste Indikation für eine Funikulolyse ist die Retentio testis. Die Funikulolyse wird fast immer ergänzend zur Orchidopexie durchgeführt. Diese ist bei allen behandlungsbedürftigen Formen des Kryptorchismus (Hodenhochstand) - mit Ausnahme des Pendelhodens - indiziert, wenn konservative Therapiemöglichkeiten versagen. Die Behandlung des Kryptorchismus sollte mit der Vollendung des ersten Lebensjahres abgeschlossen sein, nach älterer Lehrmeinung nach dem zweiten Lebensjahr. Daher werden Orchidopexie und Funikolyse heute im Rahmen einer einzigen Operation zwischen dem 6. und 12. Lebensmonat durchgeführt.
Vorgehen
Der Operateur eröffnet die Bauchdecke mit einem kleinen Schnitt superfiziell über dem Anulus inguinalis superficialis. Der Leistenkanal und der dystope Hoden werden aufgesucht und dargestellt.
Der Funiculus spermaticus wird spitz und stumpf freipräpariert und ggf. aus seiner Umgebung adhäsiolysiert. Ist auch der Hoden im Leistenkanal (Leistenhoden) oder sogar intraabdominell (Bauchhoden) mit seiner Umgebung verwachsen, so wird auch er freigesetzt (Funikuloorchidolyse).
Die im Funiculus spermaticus enthaltenen Hauptleitungsbahnen des Hodens, der Ductus deferens einerseits und die Vasa testicularia (Arteria testicularis, Plexus pampiniformis) andererseits, werden dargestellt und mittels Zügeln gesichert. Übrig bleiben Cremasterfasern, funikuläres Bindgewebe und ggf. Bruchsack-Gewebe einer Leistenhernie. Diese Strukturen sind i.d.R. verantwortlich für den Hodenhochstand und können durchtrennt werden, wohingegen die Länge der Leitungsbahnen für eine normale, skrotale Lage fast immer ausreichend ist. Anschließend kann der Hoden nach skrotal verlagert und orchidopexiert werden.
Eine oft nebenbefundlich vorgefundene Appendix testis (Morgagni-Hydatide) wird meist gleich mitentfernt, da diese später im Leben nicht selten torquieren (Hydatidentorsion) und dann ein akutes Skrotum hervorrufen kann.
Bedeutung
Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurde bei dieser Operation ausschließlich eine Orchidopexie ohne Funikulolyse durchgeführt. In teils martialischer Vorgehensweise wurde der Hoden nach skrotal gezogen, ohne die kausal verantwortliche Verkürzung des Funiculus spermaticus zu beheben, und der Hoden im Skrotum festgenäht. Daraufhin verblieb der Samenstrang unter Spannung. Heute weiß man, dass die Funikulolyse für den Therapieerfolg sogar der wichtigere der beiden Teilschritte ist[1], weswegen sie praktisch immer zusätzlich zur Orchidopexie erfolgt.