Deprescribing
von englisch: to prescribe - verschreiben
Definition
Deprescribing ist die schrittweise Reduktion von Arzneimitteln, die potenziell schädlich sind, nicht mehr benötigt werden oder keinen Nutzen mehr bringen. Das Deprescribing ist Teil einer guten Verschreibungspraxis und vor allem für älteren Patienten mit Polypharmazie relevant.
Durchführung
Das Deprescribing kann in mehrere Teilschritte unterteilt werden:
- Identifikation von potentiell inadäquaten Medikamenten (PIM)
- Klinische Bewertung
- Reduktion oder Absetzen des Arzneimittels
- Monitoring nach dem Absetzen
- Verankerung der Maßnahme
Bei der Durchführung eines Deprescribings ist nicht nur das Absetzen eines Arzneimittels inbegriffen, sondern auch die richtige Kommunikation mit dem Patienten und die Gewährleistung eines nachhaltigen Erfolgs.
Der erste Schritt ist die Identifikation eines PIM. Ein Screening auf PIM kann im Rahmen einer Medikationsanalyse erfolgen. Es gibt mehrere Gründe, warum ein Patient ein PIM erhält:
- Klinische Stabilisierung während der Behandlung: Wenn die Erkrankung mithilfe der Arzneimittel über einen langen Zeitraum behandelt wurde, kann erwogen werden, ob die Medikation abgesetzt werden kann. Beispiele sind das Absetzen von Urikostatika, wenn über einen langen Zeitraum kein Gichtanfall auftrat und die Harnsäurewerte im Referenzbereich liegen oder eine mögliche Reduktion von Antidepressiva.
- Wegfall der Indikation: Wenn die Erkrankung oder Indikationsstellung erfolgreich therapiert wurde oder nicht mehr vorliegt, können Medikamente abgesetzt werden. Beispiele hierfür sind Protonenpumpenhemmer zur Ulkusprophylaxe oder Arzneimittel zur Behandlung akuter Erkrankungen wie Durchfall, Verstopfung oder Schlafstörungen. Manche dieser Medikamente werden aus Unwissen des Patienten über die Krankheit hinaus eingenommen.
- Verschiebung therapeutischer Ziele im Behandlungsverlauf: Vor allem im hohen Alter ändern sich die Therapieziele. Eine kurative Behandlung kann in den Hintergrund rücken, während die Symptomlinderung eine größere Rolle einnimmt oder die Zielwerte sich ändern. Beispiele hierfür sind die Blutdrucktherapie oder die Einnahme eines Statins.
Patientengruppen mit einem erhöhten Risiko für PIM sind geriatrische Patienten, multimorbide Patienten sowie Patienten mit kognitiven Einschränkungen oder mit Polymedikation.
Im zweiten Schritt wird bewertet, inwiefern die PIM und deren negative (oder auch positive) Folgen klinisch relevant sind. Diese Bewertung wird mit dem Patienten abgesprochen, damit dieser die Entscheidung nachvollziehen kann. Vor allem muss hierbei heraus- und sichergestellt werden, dass das Absetzen keine negativen Auswirkungen hat.
Im dritten Schritt wird das Medikament abgesetzt. Je nach Arzneistoff kann das Absetzen abrupt oder schrittweise erfolgen. Vor allem zentralwirksame Arzneistoffe wie Benzodiazepine und Antidepressiva sollten über einen längeren Zeitraum ausgeschlichen werden.
Die Schritte vier und fünf beschreiben die Tätigkeiten nach dem Absetzen des PIM. Hierbei wird zunächst kontrolliert, ob das Absetzen keine negativen Folgen hat. Hierbei ist zwischen Folgen einer (nun eventuell unterbehandelten) Erkrankung und Rebound-Phänomenen oder Entzugssymptomen zu unterscheiden. Letztendlich muss das Deprescribing in Medikationsplänen und der Patientenakte dokumentiert werden, damit von einem anderen behandelten Arzt abgesetzte Medikamente nicht wieder neu verschrieben werden.
Literatur
- Dreischulte, T.; Pohl, S., Deprescribing: Grundlagen und Relevanz für die pharmazeutische Betreuung, Pharmakon - Arzneimittel in Wissenschaft und Praxis, 25(6) (2025)
- Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V. (DEGAM): S3-Leitlinie Hausärztliche Leitlinie: Multimedikation. AWMF-Registernummer 053-043 (2021)
Weblinks
- Tabletten-Tsunami: Ärzte, warum so verbohrt?, DocCheck News, abgerufen am 3.6.2025