Anorexia athletica
Synonyme: Sportanorexie, Anorexia sportiva
Englisch: female athlete triad
Definition
Die Anorexia athletica ist eine Störung des Essverhaltens, die bei Leistungssportlern auftritt. Sie tritt hauptsächlich in Sportarten auf, in denen ein geringes Gewicht einen Leistungsvorteil bringt. Kennzeichnend für die Anorexia athletica ist eine bewusste Gewichtsreduktion, die nicht dem physischen Bedarf an Kalorienzufuhr im Sport entspricht, mit der Absicht die sportliche Leistung zu steigern. Für Anorexia athletica lassen sich keine Kriterien nach ICD-10 oder DSM-IV finden, da es formell gesehen keine Krankheit ist. Bei Betroffenen kann ein erhöhtes Risiko in das Krankheitsbild der Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa abzurutschen, beobachtet werden.
Geschichte
Der Begriff wurde erstmals von den beiden Wissenschaftlern Smith und Pugliese im Jahre 1983 verwendet, mit der Absicht auf eine Sonderform der Anorexie im Leistungssport aufmerksam zu machen. Sundgot-Borgen (1993) definierte später die Annorexia athletica anhand von zehn Merkmalen.
Epidemiologie
Eine Schätzung des Auftretens der Anorexia athletica gestaltet sich als schwierig. Abhängig von der Sportart und dem Geschlecht sind Zahlen zwischen 8 und 62 Prozent zu finden. Besonders häufig sind Frauen und Mädchen im Alter von 15 bis 24 Jahren betroffen. Der Anteil der Männer liegt dabei, wie häufig bei Essstörungen, deutlich unter jenem der Frauen (Verhältnis 1:10). Schätzungen zu Folge leiden etwa 18 Prozent der Athletinnen im Leistungssport an Essstörungen, bei den nicht intensiv sporttreibenden Frauen lediglich 5 Prozent.
Die Prävalenzrate variiert auch hinsichtlich der Sportart. Untersuchungen im Leistungssport ergaben, dass in ästhetischen Sportarten, wie beispielsweise Ballett und Eiskunstlauf, 42 Prozent der Frauen von einer Essstörung betroffen sind. Für Männer liegen in diesem Bereich keine Angaben vor. Innerhalb der Ausdauersportarten, wie Schwimmen und Langstreckenlauf sind 24 Prozent der Frauen und 9 Prozent der Männer erkrankt.
Kriterien nach Sundgot-Borgen (1993) & Clasing (1996)
Folgende 10 Kriterien können als kennzeichnend für eine Anorexia athletica genannt werden:
- Gewichtsverlust von mehr als 5% unter dem Normalgewicht
- Gewichtsverlust ist nicht durch organische Erkrankungen erklärbar
- verspätete Pubertät
- Zyklusstörungen (Ausbleiben der Regelblutung, seltene Blutung)
- Beschwerden des Eingeweidetraktes
- Körperschemastörung
- Angst, fettleibig zu werden
- Nahrungsrestriktion < 1200 kcal/Tag
- Abführverhalten (purging)
- Fressanfälle
- Zwanghaftigkeit zu körperlicher Betätigung
Konsequenzen
- Unterversorgung mit Eisen, Kalzium und Vitamin D kann zu Anämie und Osteoporose führen
- häufig kommt es zu Oligo- und Amenorrhoe (beim kombinierten Auftreten von Essstörung, Amenorrhoe und Osteoporose spricht man von einer athletischen Triade)
Abgrenzung zur Anorexia nervosa
Häufig liegt die Anroexia athletica im Grenzbereich zwischen normalem Essverhalten und einer Anorexia nervosa. Die wichtigsten Unterschiede sind:
- Primäre Motive der Betroffenen: bewusst gesteuerte Gewichtsreduktion, bessere sportliche Leistung, sportliche Anerkennung, Erreichen einer bestimmten Gewichtsklasse
- Beurteilung erfolgt im Vergleich zu Konkurrenten kritisch aber realistisch. Keine gestörte Selbsteinschätzung
- Gewichtsreduktion steht in Abhängigkeit zu Trainingsphasen
- Ernährung kann nach Beendigung der sportlichen Laufbahn wieder umgestellt werden
Risikosportarten
- Sportarten mit hohem ästhetischen Anteil (Einskunstlaufen, Tanzen, Kunstturnen)
- Ausdauersportarten, bei denen das Körpergewicht getragen wird (Langstreckenlauf, Triathlon)
- Gewichtsklassensportarten (Ringen, Rudern, Boxen, Pferderennsport)
- weitere Sportarten, in denen das Gewicht die Leistung bestimmt (Skispringen, Klettern, Hochsprung)
Diagnostik
- regelmäßige Gewichtskontrollen in sinnvollen Zeitintervallen
- Messung des Körperfettgehalts
- psychologische Testverfahren (Eating Attitude Test, Eating Disorder Iventory)
- Osteoporose-Zeichen (Stressfrakturen)
Therapie
Ist die Diagnose gestellt, sollte ein multidisziplinärer Therapieansatz verfolgt werden:
- verschiedene Formen der psychotherapeutischen Behandlung (Einzeltherapie, Familientherapie, konzentrative Bewegungstherapie)
- Normalisierung des Stoffwechsels durch Ernährungsumstellung und Gewichtsmanagement (anfangs evtl. hochkalorische Substitution)
- Substitutionstherapie mit Hormonen und Kalzium gegen begleitende Osteoporose und Amenorrhoe