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Osteogenesis imperfecta

von altgriechisch: ὀστέον ("osteon") - Knochen und γένεσις ("genesis") - Entstehung, Ursprung
Synonyme: Glasknochenerkrankung, Morbus Lobstein
Englisch: brittle bone disease

1. Definition

Die Osteogenesis imperfecta, kurz OI, ist eine erbliche Erkrankung des Bindegewebes, die sich durch eine unvollständige Knochenbildung mit erhöhter Brüchigkeit der Knochen auszeichnet.

2. Epidemiologie

Die Häufigkeit des Auftretens beträgt 1: 10.000 – 15.000, in Deutschland sind ca. 4.000 – 5.000 Menschen betroffen.

3. Ätiologie

Ursache der Osteogenesis imperfecta sind verschiedene Störungen der Biosynthese von Kollagen, einem sehr wichtigen Bestandteil der Knochenmatrix. In 95 % der Fälle sind Gene betroffen, die zur Synthese des Kollagens Typ I wichtig sind (COL1A1 und COL1A2). Kommt es zu einem Verlust eines COL1A1-Allels, so ist nur eine verminderte Synthese von Kollagen Typ I möglich. Das Kollagen ist jedoch intakt, so dass die Ausprägung der Erkrankung mild ist.

Kommt es jedoch zu Mutationen im COL1A1- oder COL1A2-Gen (z.B. durch Punktmutation, oder alternatives Splicing), so wird überwiegend defektes und nur wenig intaktes Kollagen vom Typ I hergestellt. Meist geschieht dies durch Substitution der wichtigsten Aminosäure Glycin in der Tripelhelix des Kollagens durch eine andere Aminosäure. Zudem ist oft die Verdrillung der Kollagen-Tripelhelix gestört, was zu einer verminderten Stabilität führt.

Durch diesen dominant-negativen Effekt kommt es zu einer schweren Ausprägung (Phänotyp) der Erkrankung.

4. Einteilung

Die Einteilung verschiedener Formen der Osteogenesis imperfecta ist umstritten. Es existieren mehrere Einteilungssysteme, die unterschiedliche Kriterien anlegen.

4.1. ... nach klinisch-radiologischen Kriterien

Nach der erweiterten Sillence-Klassifikation (2014) unterscheidet man folgende Typen der Osteogenesis imperfecta:[1]

Typ Klinik betroffene Gene Erbgang
I* leichter Verlauf ohne Deformierungen, blaue Skleren COL1A1, COL1A2 AD
II** Sehr schwerer, meist perinatal letaler Verlauf (vielfache Knochenbrüche mit kongenitaler Deformierung, Minderwuchs), blaue Skleren COL1A1, COL1A2, seltener andere (CRTAP, LEPRE1, PPIB) AD, AR
III mittelschwerer, progressiv-deformierender Verlauf, blaue Skleren COL1A1, COL1A2, andere (z.B. BMP1, CRTAP, LEPRE1, SERPINH1) AR, seltener AD
IV variabler Verlauf ohne blaue Skleren COL1A1, COL1A2, andere (z.B. WNT1, CRTAP, PPIB, SP7) AD, seltener AR oder XR
V moderater bis schwerer Verlauf mit Ossifikation der Membrana interossea cruris und antebrachii, Neigung zu hyperplastischem Kallus IFITM5 AD

* früher: Hoeve-Syndrom, Lobstein-Krankheit, ** früher: Vrolik-Krankheit

Aufgrund der Uneinheitlichkeit von ursächlichem Gen und Erbgang innerhalb der Sillence-Typen ist das Klassifikationssystem umstritten.

4.2. ... nach Pathomechanismus

Die Klassifikation von Forlino et al. unterscheidet nach zugrundeliegendem Pathomechanismus vier Typen der Osteogenesis imperfecta:[2][3]

4.3. ... nach genetischer Grundlage

Die OMIM-Datenbank unterscheidet nach zugrundeliegender Genmutation insgesamt 22 Formen der Osteogenesis imperfecta (I-XXII). Die klinisch-radiologischen Typen I-V aus der erweiterten Sillence-Klassifikation wurden hierbei übernommen, jedoch auf COL1A1/2- und IFITM5-Gendefekte beschränkt.[3]

5. Symptome

Viele Symptome der Osteogenesis imperfecta betreffen das Skelettsystem:

Darüber hinaus gibt es Symptome, die nicht das Skelett, sondern andere Organsysteme betreffen, zum Beispiel:

Im Röntgenbild zeigt sich eine erhöhte Transparenz des Knochens, da zu wenig schattengebende Knochensubstanz vorhanden ist.

Blaue Skleren bei Osteogenesis imperfecta

6. Therapie

Die genetischen Ursachen der Osteogenesis imperfecta können derzeit (2024) nicht behandelt werden, die Therapie ist symptomatisch ausgerichtet.

Es wird versucht, den Krankheitsverlauf mit Calcitonin, Calciferol, Fluor und Bisphosphonaten zu verlangsamen und abzumildern. Die Frakturen werden chirurgisch und orthopädisch versorgt. Durch Marknagelung lässt sich die Stabilität der Knochen erhöhen. Zudem ist eine Physiotherapie wichtig, um weiterem Knochenabbau vorzubeugen und durch Muskelaufbau die Sturzgefahr zu vermindern.

7. Quiz

8. Bildquelle

  • Bildquelle für Quiz: ©Cara Shelton / Unsplash

9. Einzelnachweise

  1. Van Dijk, Sillence. Osteogenesis imperfecta: clinical diagnosis, nomenclature and severity assessment. American Journal of Medical Genetics, Part A, 2014.
  2. Forlino A, Marini JC. Osteogenesis imperfecta. Lancet, 2016.
  3. 3,0 3,1 Panzaru et al. Classification of osteogenesis imperfecta: Importance for prophylaxis and genetic counseling. World Journal of Clinical Cases, 2023.

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02.07.2024, 11:45
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