Humerusschaftfraktur
Synonym: Oberarmschaftfraktur
Definition
Unter der Humerusschaftfraktur versteht man einen Knochenbruch im Bereich des Humerusschaftes, also zwischen Crista tuberculi majoris und Cristae supracondylares.
Epidemiologie
Die Humerusschaftfraktur macht ungefähr 1,2 bis 5 % aller Frakturen aus. Obwohl sie jedem Alter auftreten, ist eine bimodale Verteilung zu beobachten: Der erste Erkrankungsgipfel wird bei Männern in der dritten Dekade und der zweite Höhepunkt bei Frauen in der siebten Dekade beobachtet.[1]
Ätiopathogenese
Humerusschaftfrakturen werden durch direkte und indirekte Gewalteinwirkung hervorgerufen. Verkehrsunfälle, Arbeitsunfälle und Stürze aus größerer Höhe führen über eine direkte Gewalteinwirkung vor allem zu Querfrakturen, kurzen Schrägfrakturen oder Mehrfragmentfrakturen.
Beim Sturz auf die Hand werden vor allem bei älteren Menschen Spiralfrakturen beobachtet.
Pathologische Frakturen treten vor allem im Bereich des proximalen Humerusschaftes auf.
Klassifikation
...nach Lokalisation
- proximales Drittel: 30 %
- mittleres Drittel: 60 %
- distales Drittel: 10 %
...nach AO-Klassifikation
Die AO-Klassifikation unterscheidet einfache Frakturen, Keilfrakturen und komplexe Frakturen.
Einfache Frakturen
Man unterscheidet:
- 12- A1: Spiralfraktur - ca. 17 %
- 12- A2: Schrägfraktur (Winkel > 30°) - ca. 18 %
- 12- A3: Querfraktur (Winkel < 30°) - ca. 61 %
Keilfrakturen
Es werden unterschieden:
- 12- B1: Spirale Keilfraktur
- 12- B2: Gebogene Keilfraktur
- 12- B3: Fragmentierte Keilfraktur
Komplexe Frakturen
Man unterscheidet:
- 12- C1: Spiralfraktur
- 12- C2: Mehrsegmentfraktur
- 12- C3: Irreguläre Fraktur
Holstein-Lewis-Fraktur
Die Holstein-Lewis-Fraktur stellt eine Sonderform dar. Es handelt sich um eine einfache Spiralfraktur des distalen Schaftdrittels mit radialer Verlagerung des distalen Fragments. Sie macht 7 % der Humerusschaftfrakturen aus und geht mit einer höheren Rate an Radialisverletzungen einher.
Klinik
Die betroffenen Patienten klagen über starke Schmerzen. Es besteht eine Instabilität, in einigen Fällen lassen sich Krepitationen tasten. Hinzu kommen in der Regel eine Schwellung sowie ein Hämatom.
Begleitverletzungen
Der Nervus radialis verläuft spiralig um den Humerusschaft und wird bei 16 % der Humerusschaftfrakturen geschädigt. Dabei kommt es zum Ausfall der Extensoren am Unterarm, was zur so genannten Fallhand führt. Der Musculus triceps brachii ist in der Regel nicht in seiner Funktion eingeschränkt, da die den Muskel innervierenden Nervenfasern bereits in der Axilla vom Nervus radialis abgegangen sind. Auf der Streckseite des Unterarmes, auf dem Handrücken sowie auf der Dorsalseite der radialen 2 ½ Finger kommt es zu einem Sensibilitätsausfall.
Verletzungen des Nervus ulnaris oder medianus sowie der Arteria brachialis werden nur selten beobachtet.
Diagnostik
Im Rahmen der klinischen Untersuchung sollten periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität (pDMS) überprüft werden.
Anhand von Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen kann die Diagnose einer Humerusschaftfraktur gesichert werden. Häufig zeigt sich eine Varusstellung des distalen Fragments.
Therapie
In vielen Fällen wird die Humerusschaftfraktur konservativ behandelt. Die Behandlung erfolgt durch die Anlage eines Gilchrist-Verbandes oder eines Oberarmgipses für ungefähr zwei Wochen, danach legt man einen Oberarm-Brace an.
Indikationen für eine operative Behandlung sind beispielsweise:
- Schädigungen von Gefäßen
- Progrediente Radialisparese
- offene Frakturen mit Weichteilverletzungen
- gleichzeitige Unterarmfraktur (Floating-Elbow)
- > 30° Varus-Valgus-Angulation
- > 20° anterior-posterior Angulation
- > 15° Malrotation
- > 3 cm Verkürzung
- Interposition von Weichteilen in den Frakturspalt
- Non-Union
Die osteosynthetische Versorgung erfolgt durch eine Marknagelung oder durch eine Plattenosteosynthese. Bei offenen Frakturen oder bei polytraumatisierten Patienten wird häufig zunächst ein Fixateur externe angebracht.
Prognose
Das Risiko einer Non-Union ist bei einer einfachen Querfraktur erhöht. Insgesamt kommt es zu einer Non-Union bei 24 % der Frakturen im proximalen Drittel und bei 10 bis 15 % im mittleren und distalen Drittel.
Peer-Review durch Bijan Fink |
Quellen
- ↑ Shao YC et al. Radial nerve palsy associated with fractures of the shaft of the humerus: a systematic review, J Bone Joint Surg Br. 2005;87(12):1647-1652