Umwidmung (Veterinärmedizin)
Englisch: reclassification
Definition
Als Umwidmung bezeichnet man die aufgrund eines Therapienotstandes notwendige Anwendung von Tierarzneimitteln, die ursprünglich nicht für die betreffende Tierart oder Indikation zugelassen sind. Sie darf nur erfolgen, wenn kein geeignetes, für die jeweilige Tierart und Indikation zugelassenes Präparat verfügbar ist.
Hintergrund
Seit dem 28. Januar 2022 gilt in der Europäischen Union die Verordnung (EU) 2019/6 über Tierarzneimittel, welche die frühere Richtlinie und nationale Regelungen (z.B. § 56a AMG) abgelöst hat. In Deutschland regelt ergänzend das Tierarzneimittelgesetz (TAMG) die nationalen Vorschriften.
Die Umwidmung erfolgt nach der sogenannten Umwidmungskaskade. Dabei wird zwischen folgenden Gruppen unterschieden:
- Nicht lebensmittelliefernde Tiere (N-LMT)
- Lebensmittelliefernde Landtiere (LMT-L)
- Lebensmittelliefernde Wassertiere (LMT-W)
Die Kaskade legt fest, in welcher Reihenfolge Arzneimittel herangezogen werden dürfen:
- Ein in der EU zugelassenes Tierarzneimittel für dieselbe oder eine andere Tierart bzw. ein anderes Anwendungsgebiet.
- Ein Humanarzneimittel, das in einem EU/EWR-Mitgliedstaat zugelassen ist.
- Ein nach tierärztlicher Verschreibung hergestelltes Arzneimittel (Rezepturarzneimittel).
- Ein Tierarzneimittel aus einem Drittland, sofern es für Tierart und Indikation zugelassen ist und eine Einfuhrgenehmigung vorliegt.
Für lebensmittelliefernde Tiere dürfen nur Wirkstoffe verwendet werden, die in einer entsprechenden Verordnung als zulässig gelistet sind.
Gemäß Dispensierrecht trägt der Tierarzt die Verantwortung für die Unversehrtheit der behandelten Tiere und die Unbedenklichkeit möglicher Rückstände in daraus gewonnenen Lebensmitteln. Jede Umwidmung ist zu dokumentieren.
Wartezeiten
Im Rahmen der Umwidmung sind Mindestwartezeiten einzuhalten. Dabei wird die längste zugelassene Wartezeit des angewendeten Präparats mit einem Faktor 1,5 multipliziert, sofern keine spezifischen Daten vorliegen. Unterschreiten die so berechneten Werte die EU-Mindestwartezeiten, gelten die höheren Werte. Beträgt das Ergebnis der Berechnung einen Bruchteil eines Tages, ist auf den nächsten vollen Tag aufzurunden.
Mindestwartezeiten bei Säugetieren, Geflügel und Zuchtfederwild
- essbare Gewebe/Fleisch: längste zugelassene Wartezeit × 1,5 (mindestens 1 Tag bei anderer taxonomischer Familie, sonst 28 Tage)
- Milch: längste zugelassene Wartezeit × 1,5 (mindestens 1 Tag, sonst 7 Tage)
- Eier: längste zugelassene Wartezeit × 1,5 (mindestens 10 Tage)
Wassertiere
- bei Umwidmung eines LMT-W-Arzneimittels: längste Wartezeit × 1,5 (temperaturabhängig)
- bei Umwidmung eines LMT-L-Arzneimittels: längste Wartezeit × 50 (temperaturabhängig)
Bienen
Die Wartezeit für Honig und andere Erzeugnisse wird vom Tierarzt im Einzelfall festgelegt.
Literatur
- Emmerich, Sommerhäuser: Das neue Tierarzneimittelrecht. Erläuterungen zur geänderten Rechtssystematik, Umwidmungskaskade und Festlegung der Mindestwartezeit. Deutsches Tierärzteblatt, 2022