Room-Tilt-Illusion
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Definition
Die Room Tilt Illusion, kurz RTI, ist eine seltene, vorübergehende Störung der Raumwahrnehmung, bei der die gesamte Umgebung plötzlich gekippt oder kopfstehend erscheint, während die eigene Körperlage weiterhin als aufrecht empfunden wird. Die Ursache ist ein kurzzeitiger Fehlabgleich zwischen visuellen und vestibulären Orientierungssignalen im zentralen Nervensystem (ZNS).
Hintergrund
Die räumliche Orientierung entsteht durch die Integration visueller, vestibulärer und somatosensorischer Signale, die Informationen über die Körperlage in Frontal-, Sagittal- und Horizontalebene liefern. In mit dem vestibulären System verbundenen Arealen der Großhirnrinde, insbesondere im parieto-insulären vestibulären Kortex, werden diese Reize zu einer stabilen Wahrnehmung der Raumlage und der subjektiven Vertikale zusammengeführt.[1][2]
Bei der RTI ist dieser Abgleich vorübergehend gestört. Dadurch wird die Vertikale fehlerhaft berechnet und die Umgebung scheinbar gekippt oder auf dem Kopf stehend wahrgenommen. Häufig liegt eine Störung der gravizeptiven Funktion der Otolithenorgane oder ihrer zentralen Bahnen vor, etwa durch Läsionen im Hirnstamm, Kleinhirn oder Vestibularorgan.[3][4]
Die fehlerhafte gravizeptive Information widerspricht stabilen visuellen Orientierungshinweisen, sodass die Umgebung kurzzeitig um 90 oder 180 Grad gedreht erscheint.[5] Sobald die visuelle Orientierung wieder dominiert, normalisiert sich die Wahrnehmung. Dabei ist vor allem die Verarbeitung der räumlichen Umwelt verändert, das Körperschema bleibt weitgehend erhalten.
Abgrenzung
Die Beziehung zwischen der Störung der subjektiven visuellen Vertikalen (SVV) und der RTI wird in der Literatur unterschiedlich interpretiert. Beide Phänomene betreffen die Verarbeitung gravizeptiver Informationen, unterscheiden sich jedoch im Mechanismus und im klinischen Erscheinungsbild.
Bei einer SVV-Störung liegt eine konstante gravizeptive Asymmetrie vor, durch die die wahrgenommene Vertikale dauerhaft um einige Grad gegenüber der physikalischen Lotrichtung verschoben ist, ohne dass die Umgebung gekippt erscheint.
Die RTI beruht dagegen auf einem vorübergehenden kortikalen Fehlabgleich visueller und vestibulärer Raumkoordinaten. Dabei wird die gesamte Umwelt plötzlich um 90 oder 180 Grad gedreht wahrgenommen.[1][5]
Symptome
Typisch sind plötzlich einsetzende Episoden, in denen die gesamte Umgebung gekippt oder auf dem Kopf stehend erscheint. Die Kippung betrifft die vollständige visuelle Szene und zeigt sich meist als Drehung um 180 Grad in der Frontalebene oder um 90 Grad in Frontal- bzw. seltener in der Sagittalebene. Dabei wird die eigene Körperlage unverändert als aufrecht erlebt.
Die Episoden dauern größtenteils Sekunden bis Minuten, gelegentlich länger oder wiederkehrend. Häufig treten Schwindel, Übelkeit, Unsicherheit beim Stehen oder Gehen und Angst auf. Bei zentralen Ursachen halten die Episoden tendenziell länger an als bei peripher-vestibulären Störungen.
Vorkommen
Die Room Tilt Illusion ist ein selten beschriebenes Phänomen. In einer Übersichtsarbeit mit 148 Fällen wurden folgende Ursachen und Zusammenhänge berichtet:[4]
- Zentrale Läsionen des Nervensystems (am häufigsten):
- ischämische Durchblutungsstörungen im Bereich der hinteren Schädelgrube mit Beteiligung von Kleinhirn oder Hirnstamm
- Schädigungen im Parietal- oder Okzipitallappen
- Periphere vestibuläre Störungen
- Seltenere Ursachen
- Epileptischer Anfall
- Migräne
- entzündliche oder degenerative Erkrankungen des Nervensystems
- medikamentenassoziierte Fälle
Literatur
- Strupp et al., Vertigo – Leitsymptom Schwindel., Springer, 2022.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Brandt T et al., Towards a concept of disorders of higher vestibular function. Frontiers in Integrative Neuroscience, 2014
- ↑ Lopez C et al. Body ownership and embodiment: Vestibular and multisensory mechanisms. Clinical Neurophysiology, 2008.
- ↑ Tiliket C et al. Room tilt illusion: A central otolith dysfunction. Jama Neurology, 1996.
- ↑ 4,0 4,1 Sierra-Hidalgo et al., Clinical and imaging features of the room tilt illusion, Journal of Neurology, 2012
- ↑ 5,0 5,1 Brandt T. Cortical matching of visual and vestibular 3D coordinate maps. Annals of Neurology, 1997.