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Polysaccharid-Speicher-Myopathie (Pferd)

Englisch: polysaccharide storage myopathy

1. Definition

Die Polysaccharid-Speicher-Myopathie, kurz PSSM, ist eine genetische Erkrankung des Hauspferds. Sie ist gekennzeichnet durch eine belastungsabhängige Rhabdomyolyse.

2. Formen

2.1. PSSM Typ 1

2.1.1. Ätiopathogenese

Die PSSM1 ist eine autosomal-dominante Glykogenspeicherkrankheit, die durch eine Gain-of-Function-Mutation im GYS1-Gen verursacht wird. Das Gen kodiert für die Glykogensynthase 1. Bei den betroffenen Pferden kommt es zu einem abnormalen aeroben Energiestoffwechsel im Skelettmuskel.

2.1.2. Histopathologie

Histopathologisch ist die PSSM1 gekennzeichnet durch eine erhöhte Glykogenkonzentration und Aggregate von Amylase-resistenten Polysacchariden (Ar-PS) in der PAS-Färbung der Skelettmuskulatur. Normales Glykogen ist Amylase-sensitiv (As-PR), das heißt nach Inkubation der Skelettmuskulatur mit Amylase fehlt die PAS-Reaktion.

2.1.3. Epidemiologie

Bisher wurde die PSSM1 bei über 20 Pferderassen beschrieben, insbesondere bei den Rassen Quarter Horse (QH), Paint Horse, Appaloosa sowie bei Percheron und Brabanter. Es kommt bei englischen Vollblütern, Norwegern, Welsh-Pony und Clydesdale nicht vor.

2.1.4. Klinik

Die klinischen Symptome bei PSSM1 sind variabel und müssen nicht zwingend mit Belastungssituationen zusammenhängen. Viele Pferde sind asymptomatisch. Bei betroffenen Light Horses ist das häufigste Symptom eine Belastungs-induzierte Rhabdomyolyse mit Anstieg der Muskelenzyme, typischerweise nach einer Ruhephase. Betroffene Warmblüter und Zugpferde zeigen oft nur eine Muskelschwäche und Muskelatrophie. Homozygot betroffene Pferde weisen einen schwereren Verlauf auf.

2.1.5. Diagnose

Die Verdachtsdiagnose einer PSSM1 kann mittels Gentests bestätigt werden. Gleichzeitige submaximale Belastungstests mit CK-Bestimmung helfen bei der Einschätzung der funktionellen Relevanz der Mutation. Histopathologisch können Proben aus dem Musculus semitendinosus oder semimembranosus untersucht werden.

2.1.6. Therapie

Es existiert derzeit (2023) keine kausale Therapie. Hilfreich sind eine Reduktion von niedermolekularen Kohlenhydraten bzw. eine stärke- und zuckerarme Ernährung sowie eine regelmäßige Bewegung. Um den Kalorienbedarf zu decken, können Fett-Supplementierungen (z.B. Pflanzenöle aus Mais oder Raps) sinnvoll sein. Wenn die entsprechenden Empfehlungen befolgt werden, ist zu erwarten, dass bei praktisch allen Quarter Horses mit PSSM1 die Häufigkeit von Rhabdomyolysen abnimmt und bei fast zwei Dritteln keine Anfälle mehr auftreten. Ob ein ähnliches Ansprechen bei anderen Rassen auftritt, ist unklar.

2.2. PSSM Typ 2

Muskelerkrankungen mit klinischen und histopathologischen Ähnlichkeiten zu PSSM1, bei denen jedoch nur eine gering erhöhte Muskelglykogenkonzentration und keine GYS1-Mutation nachweisbar ist, werden als PSSM2 bezeichnet. Sie wurde beschrieben bei verschiedenen Warmblüter-Rassen, bei Quarter Horse, Morgan, englischen Vollblüter, Standardbred und Isländer. Die genaue Ätiopathogenese ist derzeit (2023) unklar. Betroffene Pferde können eine akute Rhabdomyolyse entwickeln, häufiger zeigen sich jedoch nur subtile oder chronische Veränderungen wie verminderte Leistungsfähigkeit, Muskelschwäche und Atrophie. Die Muskelenzymaktivität ist meist normal.

Die Diagnose basiert derzeit auf einer Muskelbiopsie und dem Ausschluss anderer Erkrankungen. Bisher existieren keine validierten genetischen Tests, obwohl sie kommerziell angeboten werden (z.B. EquiSeq, Inc). Die bisher untersuchten Genvarianten sind nicht signifikant mit einer PSSM2 assoziiert. Etwa 60 % der Pferde besitzen eine oder mehrere dieser Varianten, unabhängig davon, ob sie gesund sind oder histopathologische Anzeichen von PSSM2 aufweisen.

Ob Pferde mit PSSM2 von einer ähnlichen Ernährungs- und Bewegungstherapie wie bei PSSM1 profitieren, ist umstritten.

3. Differenzialdiagnosen

  • Recurrent Exertional Rhabdomyolysis (RER): Ungefähr 5 bis 10 % der Rennpferde der Rasse Vollblüter und Standardbred weisen diese hereditäre Erkrankung auf. Die Muskelschäden entstehen während des Trainings und nicht beim Rennen. Die Muskelenzyme sind erhöht. Grundlage ist vermutlich eine gestörte Calcium-Regulation. Bisher konnte kein ursächliches Gen identifiziert werden. Die Rhabdomyolyse kann durch orale Gabe von Dantrolen vor dem Training verhindert werden. Die fehlende Verfügbarkeit von validierten Gentests und die unspezifische Histopathologie erschweren die Diagnose. Submaximale Belastungstests sind ebenfalls nicht zuverlässig. Die Messung von Muskelenzymen während des Trainings kann hilfreich sein. Pferde mit RER können bei stärkereduzierter Diät innerhalb von einer Woche ein Ansprechen zeigen. Die genaue Ursache für das schnelle Ansprechen ist unklar.
  • Myofibrilläre Myopathie (MFM): Tritt insbesondere bei Arabern und Warmblütern auf. Betroffene Araber sind meist höheren Alters und zeigen eine Rhabdomyolyse während des Trainings und des Rennens. Teilweise ist der klinische Verlauf trotz deutlicher biochemischer Zeichen der Rhabdomyolyse nur mild. Betroffene Warmblüter weisen ähnliche klinische Charakteristika wie Pferde mit PSSM2 auf. Betroffene Araber haben keine GYS1- oder RYR1-Mutationen. Validierte genetische Tests liegen nicht vor, sodass die Diagnose auf der Muskelbiopsie basiert. Dabei zeigen sich Akkumulationen von Desmin in reifen Muskelfasern. Ob Ernähungsmaßnahmen einen Einfluss haben, ist unklar.

4. Literatur

Stichworte: Myopathie, Pferd, Rhabdomyolyse
Fachgebiete: Veterinärmedizin

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