Neonatale Isoerythrolyse (Pferd)
Englisch: neonatal isoerythrolysis
Definition
Als neonatale Isoerythrolyse bezeichnet man eine erworbene Immunreaktion auf kolostrale Antikörper beim Fohlen.
Epidemiologie
Die neonatale Isoerythrolyse soll bei rund 2 % aller neugeborenen Fohlen auftreten. Maultiere scheinen häufiger betroffen zu sein als andere Equiden.
Ätiologie
Ursächlich für eine neonatale Isoerythrolyse ist eine Inkompatibilität der Blutgruppen von Mutterstute und Hengst. Voraussetzung für die Unverträglichkeit ist, dass die Mutterstute gegen die betreffenden Blutgruppenantigene (des Hengstes) sensibilisiert wird. Mögliche Auslöser sind z.B.:
- Bluttransfusionen
- Verletzungen beim Deckakt
- Übertritt von neonatalen Erythrozyten während der Geburt
- Übertritt fetaler Erythrozyten durch Plazentablutungen kurz vor oder während der Geburt
Pathogenese
Die im Kolostrum enthaltenen maternalen Antikörper reagieren auf die paternalen Antigene, die sich auf den Erythrozyten des Fohlens befinden. Nach der Kolostrumaufnahme kommt es zur Antigen-Antikörper-Reaktion, die zur Zerstörung der Erythrozyten und zur Akkumulation von unkonjugiertem Bilirubin führt.
In weiterer Folge kommt es zu Anämie, konsekutiver Gewebehypoxie und neurologischen Symptomen (aufgrund toxischer Wirkung des Bilirubins).
Klinik
Die meisten Fohlen werden gesund geboren und erkranken wenige Stunden nach der ersten Kolostrumaufnahme. Aufgrund der Vermehrung von unkonjugiertem Bilirubin leiden betroffene Tiere primär an einem prähepatischen Ikterus.
Zusätzlich können kompensatorische Symptome wie z.B. Tachykardie und Tachypnoe ausgebildet sein. Durch die Begleiterscheinungen entwickelt sich auch eine sekundäre Hypoglykämie.
Verlaufsformen
Der Manifestationszeitpunkt und die Symptome hängen von der Menge des aufgenommenen Kolostrums und somit der Menge der antierythrozytären Antikörper (AKae) ab. Entsprechend unterscheidet man zwischen drei Verlaufsformen:
- perakute Verlaufsform (wenige Stunden nach Kolostrumaufnahme)
- klassische bzw. akute Verlaufsform (wenige Stunden nach Kolostrumaufnahme)
- Spätform bzw. atypische oder verzögerte Isoerythrolyse (1-2 Tage nach Geburt)
Verlaufsform | Menge/Zeitpunkt der AKae-Aufnahme | Symptome |
---|---|---|
perakut | große Menge, direkt nach Geburt |
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akut | geringe Menge, direkt nach Geburt |
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verzögert | normale Menge, 1-2 Tage nach Geburt |
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Diagnose
Bei der Anamnese (Alter des Fohlens bzw. Auftreten der Symptome) sowie klinischen Untersuchung (Ikterus, Tachykardie und Tachypnoe, Apathie u.ä.) können schon erste Hinweise auf eine neonatale Isoerythrolyse gewonnen werden.
Die Diagnose wird mithilfe einer Blutuntersuchung (Anämie, Hyperbilirubinämie) und mittels Nachweis antierythrozytärer Antikörper im Kolostrum oder Blut der Mutterstute gestellt.
Therapie
Betroffene Fohlen müssen umgehend von der Stute räumlich getrennt aufgestallt werden, um die weitere Kolostrumaufnahme zu unterbinden. Während dieser Zeit ist die Stute unbedingt händisch abzumelken, damit der Milchfluss nicht sistiert.
Die Fohlen sind zwischenzeitlich mit Milchaustauschern und Glukoselösungen zu versorgen. Da die enterale Resorption von kolostralen Antikörpern spätestens ab dem 3. Lebenstag sistiert, können erkrankte Fohlen ab diesem Alter wieder zur Stute gelassen werden. Dennoch muss eine kontinuierliche Überwachung stattfinden, um eine mögliche atypische Isoerythrolyse frühzeitig zu erkennen. Parallel dazu werden die Fohlen symptomatisch behandelt (Ausgleich des Säure-Basen-Haushalts, Glukoseinfusion bei Hypoglykämie, Bluttransfusionen u.ä.).
Literatur
- Bostedt H, Ennen S, Wehrend A. Krankheiten des neugeborenen Fohlens. In: Brehm W, Gehlen H, Ohnesorge B, Wehrend A (Hrsg.). 2017. Handbuch Pferdepraxis. 4., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. 700-734. ISBN: 978-3-13-219621-6
- Mealey RH, Long MT. Mechanisms of Disease and Immunity. In: Marr CM, Bowen IM (Editors). 2010. Cardiology of the horse. Second edition. Saunders Elsevier Limited. 3-78. ISBN: 978-0-7020-2817-5
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