Pränatale Hämatopoese
Synonyme: fetale Hämatopoese, embryonale Blutbildung, pränatale Blutbildung, fetale Blutbildung
Englisch: prenatal hematopoiesis, fetal hematopoiesis, embryonic hematopoiesis, intrauterine hematopoiesis
Definition
Die pränatale Hämatopoese bezeichnet die Bildung von Blutzellen im Embryo bzw. Fetus vor der Geburt. Sie verläuft in drei aufeinanderfolgenden Phasen und zeigt dabei eine charakteristische Verlagerung der Blutbildungsorte:
- mesoblastische Phase im Dottersack
- hepatolienale Phase in Leber und Milz
- medulläre Phase im Knochenmark
Hintergrund
Die Hämatopoese beginnt bereits sehr früh in der Embryogenese und ist eng mit der Entwicklung des Mesoderms verbunden. Die erste Blutbildung erfolgt in extraembryonalen Strukturen (Dottersack), während spätere Phasen intraembryonal (Leber, Milz, Knochenmark) ablaufen. Die wechselnden Hämatopoeseorte spiegeln u.a. den Reifungsgrad der jeweiligen Gewebe wider.
Ablauf
Mesoblastische Phase (2. Woche bis Ende 2. Monat)
Die mesoblastische Phase, auch Dottersackphase genannt, charakterisiert die erste Bildung primitiver Blutzellen (v.a. Erythrozyten, Makrophagen, Megakaryozyten) im Dottersack nahe des Haftstiels. Dort und später auch im Seitenplattenmesoderm entstehen sowohl Hämangioblasten als auch Angioblasten, die etwas später extra- mit intraembryonalen Blutgefäßen verbinden.
Diese primitiven hämatopoetischen Stammzellen (HSC) werden im Dottersack induziert und entstammen nicht, wie die späteren definitiven HSC, aus der Aorta-Gonaden-Mesonephros-Region (AGM-Region). Die extrambryonale Blutbildung wird allmählich durch die Blutbildung durch mesodermale HSC der AGM-Region abgelöst.
Hepatolienale Phase (3. bis 5. Monat)
Die HSC der AGM-Region wandern ca. ab Ende der 4. Woche in die Leber ein und beginnen die hepatische Blutbildung. Ab dem 3. Monat ist die mesoblastische Phase abgeschlossen und die Leber übernimmt nun die Hämatopoese. Etwas zeitversetzt findet auch in der Milz Blutbildung statt. Einige Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass auch in Lymphknoten in gewissem Ausmaß Hämatopoese betrieben wird; einen quantitativ ausschlaggebenden Einfluss hat dieser Anteil allerdings mutmaßlich nicht (Stand 2025).
Medulläre (myeloische) Phase (ab 5. Monat, definitiv)
Allmählich siedeln die HSC aus Leber und Milz in das Knochenmark um und erreichen damit ihren definitiven Zielort für die Blutbildung. Mit dieser Umsiedelung stellt die Leber die Blutbildung ein, sodass zum Zeitpunkt der Geburt das Knochenmark bereits Hauptort der Hämatopoese ist.