Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen
Definition
Das Diagnostische Interview bei psychischen Störungen, kurz DIPS, ist ein klinisches Interview zur Diagnostik psychischer Störungen im Erwachsenenalter. Es basiert auf den diagnostischen Kriterien des DSM-IV-TR und liegt in weiterentwickelten Versionen auch für das DSM-5 vor. Ziel des Verfahrens ist eine möglichst objektive und valide Erfassung psychischer Störungen anhand klarer diagnostischer Entscheidungsregeln.
Abgrenzung
Das DIPS gehört zur Gruppe der strukturierten klinischen Interviews und ist insbesondere mit dem Strukturierten Klinischen Interview für DSM (SKID) vergleichbar, das ebenfalls als diagnostischer Goldstandard gilt. Charakteristisch für das DIPS ist seine ausgeprägte Modularisierung, die eine flexible Erhebung verschiedener Störungsbereiche ermöglicht. Das Verfahren wurde primär im deutschsprachigen Raum entwickelt und validiert. Es findet dort breite Anwendung in Forschung und spezialisierten klinischen Settings. Wie andere DSM-basierte Interviews erlaubt das DIPS keine unmittelbare ICD-Diagnosestellung, ermöglicht jedoch in vielen Fällen eine sinnvolle Zuordnung.
Hintergrund
Das DIPS wird in der klinisch-psychologischen und psychiatrischen Diagnostik, in der Psychotherapieforschung sowie in epidemiologischen Studien eingesetzt. Darüber hinaus findet es Anwendung in der Qualitätssicherung psychotherapeutischer Behandlungen. Aufgrund des zeitlichen und personellen Aufwands bleibt der Einsatz in der Regel spezialisierten Settings vorbehalten.
Aufbau
Das Interview ist modular aufgebaut und gliedert sich in einzelne diagnostische Abschnitte, die jeweils spezifische Störungsgruppen abbilden. Erfasst werden unter anderem:
- affektive Störungen
- Angst- und Zwangsstörungen
- posttraumatische Belastungsstörung
- somatoforme Störungen
- Essstörungen
- substanzbezogene Störungen
- psychotische Störungen
- weitere ausgewählte Störungsbilder gemäß DSM
Ergänzend werden Informationen zum Beginn der Symptomatik, zum zeitlichen Verlauf, zum aktuellen Schweregrad sowie zur psychosozialen Beeinträchtigung erhoben. Die modulare Struktur erlaubt eine gezielte Auswahl relevanter Interviewteile bei gleichzeitiger Standardisierung.
Durchführung
Das DIPS wird von entsprechend geschulten Psychologen oder Ärzten durchgeführt. Die Interviewführung erfolgt überwiegend anhand offen formulierter Fragen, die bei Bedarf durch Nachfragen ergänzt werden. Die diagnostische Entscheidung wird strikt kriteriumsorientiert auf Grundlage der im Manual festgelegten DSM-Kriterien getroffen. Abhängig von Anzahl und Komplexität der relevanten Module beträgt die durchschnittliche Dauer etwa 60 bis 120 Minuten. In der klinischen Praxis werden häufig nur ausgewählte Module eingesetzt.
Gütekriterien
Für das DIPS liegen umfangreiche Untersuchungen zu seinen psychometrischen Eigenschaften vor. Die Objektivität ist aufgrund der standardisierten Durchführung und Auswertung hoch. Die Interrater-Reliabilität wird in zahlreichen Studien als gut bis sehr gut beschrieben, häufig mit Kappa-Werten oberhalb von 0,70. Die Validität ist unter anderem durch hohe Übereinstimmungen mit anderen etablierten strukturierten Interviews belegt. Sensitivität und Spezifität variieren je nach Störungsbereich, erreichen insgesamt jedoch gute Werte.
Limitationen
Zu den zentralen Einschränkungen des DIPS zählen der vergleichsweise hohe Zeitbedarf, die notwendige Schulung der Interviewer sowie die eingeschränkte Eignung für Akutsituationen. Zudem ist das Verfahren ausschließlich an DSM-Klassifikationen orientiert, was die direkte Anwendung in primär ICD-basierten Versorgungssystemen limitiert.
Literatur
- Margraf J, Cwik JC, von Brachel R, Suppiger A, Schneider S. DIPS Open Access 1.2: Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen. Bochum: Mental Health Research and Treatment Center, Ruhr-Universität Bochum; 2021.