Beck-Angst-Inventar
Englisch: Beck Anxiety Inventory
Definition
Das Beck-Angst-Inventar, kurz BAI, ist ein psychologisches Selbstbeurteilungsverfahren zur Erfassung der Schwere von Angstsymptomen im Erwachsenenalter. Es dient der quantitativen Bestimmung aktueller Angstsymptome und ermöglicht sowohl eine Erstbewertung, als auch eine Verlaufsbeobachtung.
Hintergrund
Das BAI wurde in den 1980er-Jahren konzipiert, um somatische und kognitive Angstsymptome systematisch zu erfassen und diagnostisch von depressiven Beschwerden abzugrenzen. Es zählt zu den international am häufigsten verwendeten Angstskalen in der klinischen Diagnostik und Forschung. Während das Beck-Depressions-Inventar (BDI) depressive Kernsymptome abbildet, fokussiert das BAI deutlich stärker auf körperliche Angstsymptome, die insbesondere bei Panik- und Angststörungen eine zentrale Rolle spielen.
Durchführung
Das Verfahren besteht aus 21 Items, die typische Angstsymptome wie Herzklopfen, Atemnot, Schwindel, Nervosität, Unruhe oder ein Gefühl des Kontrollverlusts beschreiben. Die Patienten geben an, wie stark diese Symptome in den letzten sieben Tagen aufgetreten sind. Die Beantwortung erfolgt auf einer vierstufigen Likert-Skala von 0 („überhaupt nicht“) bis 3 („stark“). Die Bearbeitung dauert üblicherweise fünf bis zehn Minuten und kann sowohl papierbasiert als auch digital durchgeführt werden. Das BAI eignet sich für den Einsatz in der ambulanten und stationären Versorgung sowie in epidemiologischen Studien.
Auswertung
Die Bewertung erfolgt durch Summierung aller Antworten, wodurch ein Gesamtwert zwischen 0 und 63 Punkten entsteht. Höhere Werte entsprechen einer stärkeren Symptomschwere. Eine Transformation ist nicht notwendig, weshalb die Auswertung unkompliziert ist und unmittelbar nach der Bearbeitung erfolgen kann. Der Gesamtwert kann sowohl einmalig zur Schweregradeinschätzung als auch zur Verlaufsbeobachtung im Rahmen therapeutischer Maßnahmen genutzt werden. Zusätzlich existieren in der Literatur faktoranalytische Modelle, die eine somatische und eine subjektive Angstkomponente unterscheiden, diese spielen jedoch im klinischen Alltag eine untergeordnete Rolle.
Die klinisch gebräuchliche Einteilung lautet:
- 0–7 Punkte: minimale Angst
- 8–15 Punkte: leichte Angst
- 16–25 Punkte: moderate Angst
- 26–63 Punkte: schwere Angst
Normwerte
Für das BAI liegen mehrere Normdatensätze vor, die sich hinsichtlich Alter, Geschlecht und Rekrutierungsquelle unterscheiden. In nichtklinischen Stichproben werden typischerweise niedrige Mittelwerte beschrieben, während klinische Angststichproben deutlich höhere Werte aufweisen. Die deutschsprachigen Normierungen basieren überwiegend auf studentischen und klinischen Vergleichsgruppen. In klinischen Kontexten ist die Orientierung an populationsspezifischen Normwerten sinnvoll, um Unterschiede im Schweregrad korrekt einordnen zu können.
Bedeutung
Das BAI zählt zu den etablierten Instrumenten der Angstdiagnostik und wird häufig zur initialen Erfassung sowie zur Evaluation von Therapieverläufen eingesetzt. Es besitzt eine hohe interne Konsistenz und zeigt eine gute konvergente Validität mit anderen Angstmaßen. Aufgrund seines starken Fokus auf physische Angstsymptome eignet es sich besonders für Störungsbilder, bei denen körperliche Erregungszustände im Vordergrund stehen, wie Panikstörungen oder generalisierte Angststörungen. In differentialdiagnostischen Fragestellungen ist zu berücksichtigen, dass das BAI somatische Beschwerden erfasst, die auch im Rahmen körperlicher Erkrankungen auftreten können. Deshalb müssen die Ergebnisse stets im klinischen Gesamtkontext interpretiert werden.
Literatur
- Beck et al., An inventory for measuring clinical anxiety: psychometric properties, Journal of Consulting and Clinical Psychology, 1988
- Geissner und Huetteroth, Beck Anxiety Inventory deutsch – Ein reliables, valides und praxisgeeignetes Instrument zur Messung klinischer Angst, Psychotherapie · Psychosomatik · Medizinische Psychologie, 2018
- Osman et al., The Beck Anxiety Inventory: reexamination of factor structure and psychometric properties, Journal of Clinical Psychology, 1997