Analytische Task Force
Definition
Die Analytische Task Force, kurz ATF, ist eine bundeseigene Spezialeinheit zur Erkennung, Identifikation und Bewertung von CBRN-Gefahren (chemisch, biologisch, radiologisch, nuklear). Sie ist Bestandteil des modularen Hilfeleistungssystems des Bundes und wird durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Zusammenarbeit mit acht Berufsfeuerwehren betrieben.
Hintergrund
Die ATF unterstützt Länder und Kommunen bei komplexen Gefahrstofflagen mit mobiler Labortechnik, qualifizierter Probenahme und fachlicher Beratung vor Ort.
Die Einrichtung der ATF erfolgte im Jahr 2009 als Reaktion auf eine Vielzahl neuer Bedrohungslagen:
- Bioterrorismus mit Milzbrandbriefen in den USA 2001 („Amerithrax“)
- Konkrete Verdachtslagen hinsichtlich biologischer Kampfstoffe (z.B. Rizin-Vorfall Großbritannien 2003)
- Industrie- und Gefahrgutunfälle mit komplexen chemischen Stofffreisetzungen
- Fehlende flächendeckende Analytik-Kompetenz in örtlichen Gefahrenabwehrstrukturen
Ziel war es, durch die ATF eine schnelle, qualifizierte und bundesweit verfügbare Analytik für unbekannte Stoffe bereitzustellen, unabhängig von regionalen Ressourcen, aber eingebettet in das föderale Bevölkerungsschutzsystem. Die ATF ergänzt damit die klassischen Gefahrstoffeinheiten um wissenschaftlich fundierte, hochmobile Spezialkompetenz.
Aufbau
Die Analytische Task Force ist als Kooperationsmodell zwischen Bund und Ländern organisiert: Der Bund stellt Einsatzfahrzeuge, Spezialtechnik und einheitliche Ausbildungskonzepte zur Verfügung; die Länder übernehmen die personelle Besetzung und organisatorische Anbindung an Berufsfeuerwehren mit ausgewiesener CBRN-Kompetenz. Aktuell bestehen acht ATF-Einheiten, strategisch über Deutschland verteilt.
Eine vollständige ATF-Einheit umfasst:
- Erkundungsfahrzeug (ErkKW) mit mobiler Analyseplattform
- Gerätewagen (GW ATF) zum Transport der Messtechnik
- Mobile Messleitkomponente (MLK CBRN) für großräumige Lagedarstellung
- Einsatzleitwagen (ELW ATF) zur Koordination und Lagebeurteilung
- Kommandowagen (KdoW) für Führungspersonal und Fachberater
- Probenahmetrupps unter Vollschutz (Schutzstufe 2 oder 3)
- Messtrupps zur Echtzeit-Stoffidentifikation
Die Alarmierung erfolgt über das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum (GMLZ) bzw. das BBK, in enger Abstimmung mit den zuständigen Landesbehörden. Innerhalb von vier Stunden nach Anforderung kann eine ATF-Einheit bundesweit einsatzbereit sein.
Ausrüstung
Die Ausstattung der ATF ermöglicht eine vollständig autonome Analytik auch unter Einsatzbedingungen. Zentrale Komponenten sind:
- Gaschromatograph/Massenspektrometer (GC/MS): zur Identifikation flüchtiger organischer Verbindungen
- Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie (FTIR) und Raman-Spektroskopie: zur zerstörungsfreien Stoffbestimmung
- ATR-FT-IR-Spektrometer: zur Analyse von Feststoffen und Flüssigkeiten
- Partikel- und Aerosolanalytik: insbesondere bei Verdacht auf biologische oder radioaktive Stoffe
- Biologische Schnelltestsysteme: z.B. für Bakterien, Viren, Toxine
- Probenentnahmesätze: inklusive kontaminationssicherer Transportbehältnisse und Dokumentationssysteme für rechtsfeste Beweissicherung
- Kommunikationstechnik: zur Echtzeitübertragung von Analyseergebnissen an das BBK, die Einsatzleitung und höhere politische Stabsstellen.
Persönliche Schutzausstattung
- Schutzanzüge der Körperschutzform 2: bei begrenzter Gefährdung und Kurzzeiteinsätzen/Dekontamination
- Gebläseschutzanzug: Probenentnahme im Gefahrengebiet/Behandlung hochinfektiöser Patienten
- Schutzanzüge der Körperschutzform 3: für Einsätze unter hochkontaminierten Bedingungen mit vollem Gas- und Flüssigkeitsschutz
Literatur
- BBK-Infobroschüre „Analytische Task Force“ (PDF)
- ATF-Pilotkonzept & IMK-Beschluss Juni 2007
- Feuerwehrverband DFV – Vorstellung der Ausstattung der Analytische Task Force
- BBK-Kurzmeldung zur ATFEX 2023 in der Schweiz
- BBK: Informationsflyer zur Analytischen Task Force, Stand 2023
- RKI: Fachinformationen zu Biologischer Gefahrenabwehr, 2022