Einsatzleitung
Definition
Die Einsatzleitung ist das zentrale Führungsorgan zur Bewältigung von Schadenslagen und Katastrophen im System der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) in Deutschland. Sie soll die Gefahrenabwehrmaßnahmen aller beteiligten Einheiten (z.B. Feuerwehr, Rettungsdienst, Katastrophenschutz und THW) koordinieren.
Hintergrund
Großschadenslagen und Katastrophen stellen besondere Anforderungen an das Führungs- und Koordinationssystem. Es reicht häufig nicht aus, einzelne Einheiten zu führen, vielmehr müssen mehrere Organisationen, überörtliche Strukturen, verwaltungsrechtliche Maßnahmen und oft auch politische Entscheidungen integriert werden.
Vor diesem Hintergrund wurde in Deutschland ein mehrdimensionales Führungssystem entwickelt, das operativ-technische, taktische, logistische und administrative Maßnahmen in einem abgestimmten Rahmen zusammenführt. Die Grundlage bilden dabei:
- die FwDV 100 mit ihren Führungsstufen und -rollen
- das Konzept der Einheitlichen Führung
- die Einbindung der Katastrophenschutzbehörden und ihrer Stäbe
- die Trennung (aber enge Verzahnung) von Einsatzführung und Verwaltungshandeln
Vorschrift
In Deutschland folgt die Führungsstruktur einem standardisierten Modell gemäß der Feuerwehr-Dienstvorschrift 100 (FwDV 100 „Führung und Leitung im Einsatz“) sowie den Vorgaben der Länder zum Katastrophenschutz. Zentrale Elemente dieses Modells sind definierte Rollen, Zuständigkeiten und Führungsebenen, die sich in operative, taktische und strategisch-administrative Komponenten untergliedern.
Führungsstufen
Die FwDV 100 unterscheidet vier Führungsstufen:
| Stufe | Lagebeispiel | Führungsform |
|---|---|---|
| A | Kleinlage (z.B. brennender PKW) | Einheitsführer (Gruppe/Trupp) |
| B | Mittlere Lage (z.B. Wohnungsbrand) | Zugführer, ggf. Abschnittsleiter |
| C | Großlage (z.B. Zugunfall mit MANV, Brand eines Industriekomplexes) | Technische Einsatzleitung, Führungsgruppe, ELW 2 |
| D | Katastrophe (z.B. Hochwasser, Terroranschlag) | TEL, ÖEL, Führungsstab/Stabsstruktur |
Führungsebenen
Das deutsche Führungssystem im Bevölkerungsschutz gliedert sich in drei sich ergänzende Ebenen, die miteinander verzahnt sind:
Politisch-administrative Ebene
Auf der politisch-administrativen Ebene sollte der Hauptverwaltungsbeamte, wie z.B. der Bürgermeister, Oberbürgermeister oder Landrat, die Verantwortung tragen.
Diese Ebene repräsentiert die Gesamtverantwortung für die Gefahrenabwehr und muss sowohl Einsatzmaßnahmen (operativ-taktisch) als auch Verwaltungsmaßnahmen (administrativ-organisatorisch) koordinieren, veranlassen und verantworten. Zur Umsetzung bedient sie sich zweier Komponenten:
- Operativ-taktische Komponente: Einsatzleitung, Technische Einsatzleitung (TEL), Örtlicher Einsatzleiter (ÖEL)
- Administrativ-organisatorische Komponente: Verwaltungsstab/Katastrophenschutzstab, Behördenvertreter, Fachberater
Diese Führungsebene soll im Katastrophenfall aktiv werden und operative Gefahrenabwehr mit rechtssicherem Verwaltungshandeln verknüpfen.
Operativ-taktische Ebene
Auf der operativ-taktischen Ebene agieren die Einheitsführer, Abschnittsleiter und die TEL als Träger.
Diese Ebene ist für die Koordination des Einsatzgeschehens im Schadensraum zuständig. Dabei geht es nicht nur um einzelne Maßnahmen, sondern um das systematische Zusammenwirken aller eingesetzten Rettungsmittel.
Zentrale Aufgaben sind:
- Ordnung des Raumes: Bildung von Einsatzabschnitten
- Ordnung der Kräfte: Bereitstellung und Nachführung von Einheiten und Reserven
- Ordnung der Zeit: Maßnahmenabfolge, Einsatzzyklen, Ablösungen
- Ordnung der Information: Aufbau und Betrieb von Informations-/ und Kommunikationsstrukturen
Die operativ-taktische Ebene wird vor allem bei weiträumigen und lang andauernden Lagen aktiv, etwa bei Hochwasser oder einer Katastrophenlage mit MANV. Dabei übernimmt sie logistische Aufgaben und führt eigenverantwortlich taktische Entscheidungen im Einsatzraum durch – in enger Abstimmung mit der politisch-administrativen Ebene.
Administrativ-organisatorische Ebene
Auf der administrativ-organisatorischen Ebene sind der Führungsstab bzw. der Katastrophenschutzstab der Behörde verantwortlich.
Diese Ebene verantwortet alle verwaltungsrechtlichen, politischen und infrastrukturellen Maßnahmen, die über den unmittelbaren Einsatz hinausgehen. Dazu zählen insbesondere:
- Evakuierungsentscheidungen (inkl. Rechtsgrundlagen)
- Betreuung und Unterbringung der betroffenen Bevölkerung
- Eigentumssicherung und Gefahrenabwehrverfügungen
- Gesundheits- und Hygienevorsorge
- Warnung der Bevölkerung (KatWarn, NINA, Cell Broadcast)
- Durchführung von Ersatzvornahmen (z.B. Zugang zu Gebäuden bei Gefahr im Verzug)
Die Maßnahmen werden in einem Führungsstab bearbeitet, der mit Fachpersonal aus den Bereichen Verwaltung, Recht, Technik, Kommunikation und ggf. Medizin besetzt ist. Ziel ist eine rechtssichere, koordinierte und verantwortbare Bewältigung aller Aspekte, die nicht von operativen Einsatzkräften geleistet werden können.
Literatur
- FwDV 100 – Führung und Leitung im Einsatz
- Karutz et al. Bevölkerungsschutz – Notfallvorsorge und Krisenmanagement, Springer Verlag. 2016
- DIN ISO 22320:2018 – Sicherheits- und Notfallmanagement, abgerufen am 17.07.2025
- Wohlrab. Einsatztaktik für den Zugführer.Kohlhammer Verlag. 2022
- Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen (2024): Krisenmanagement – Kapitel 4: Führungsorganisation bei Großschadenslagen, abgerufen am 17.07.2025
- Anand. Internationaler Katastrophenschutz.Kohlhammer-Verlag. 2025
- Herden. Zivil- und Katastrophenschutz, BoD – Books on Demand. 2023