Sulfonamid-Antibiotikum
Synonym: Sulfonamid
Definition
Sulfonamid-Antibiotika sind eine Gruppe von Antibiotika, die als gemeinsames chemisches Merkmal eine Sulfanilamid-Struktur enthalten.
Geschichte
Sulfonamide waren in den 1930er Jahren die ersten wirksamen antibakteriellen Mittel. Der erste Vertreter dieser Wirkstoffklasse war Sulfamidochrysoidin, das unter dem Handelsnamen "Prontosil" vertrieben wurde. Dem Pathologen und Bakteriologen Gerhard Domagk wurde für seine Entdeckung im Jahre 1939 der Nobelpreis verliehen.
Wirkmechanismus
Sulfonamid-Antibiotika interferieren mit dem Folsäure-Stoffwechsel der Bakterien. Sie hemmen als Strukturanalogon der p-Aminobenzoesäure kompetitiv das Enzym Dihydropteroatsynthase und bewirken so über Zwischenschritte eine Blockade der Bildung von Tetrahydrofolsäure. Dadurch wird die DNA-Synthese der Bakterienzellen gestört. Da Menschen Folsäure als Vitamin aufnehmen sind Sulfonamide für die menschlichen Zellen nicht toxisch. Bakterien, die keine Folsäure benötigen bzw. synthetisieren, weisen eine Resistenz gegen Sulfonamide auf.
Substanzen
Sulfonamid-Antibiotika werden aufgrund besser wirksamer und besser verträglicher Alternativen nur noch selten eingesetzt. Die eingesetzten Sulfonamide sind:
- Sulfamethoxazol (in Kombination mit Trimethoprim als Cotrimoxazol)
- Sulfadiazin
- Sulfamerazin
Pharmakokinetik
Die aktuell eingesetzten Sulfonamide sind alle gut resorbierbar und werden durch tubuläre Sekretion und Filtration renal eliminiert. Die Sulfonamide werden demnach alle oral verabreicht und können mit einer ein- bis dreimaligen Tagesdosierung ausreichend wirksame Plasmaspiegel aufrechterhalten.
Indikationen
Sulfonamid-Antibiotika werden nur noch selten eingesetzt. Am häufigsten sicherlich in Form von Cotrimoxazol zur Therapie von Harnwegsinfektionen, da sich das Präparat gut in den Harnwegen anreichert. Weitere Einsatzgebiete sind z.B. die Pneumocystis-Pneumonie und die Toxoplasmose. Sulfonamide werden darüber hinaus in lokal wirksamen Externa eingesetzt.
Gruppenspezifische Nebenwirkungen
Bei den Sulfonamiden sind einige gruppenspezifische Nebenwirkungen zu beachten:
- Überempfindlichkeitsreaktionen - Bei Sulfonamiden kommt es überdurchschnittlich häufig zu Überempfindlichkeitsreaktionen. Das Spektrum umfasst Hautreaktionen wie Arzneimittelexantheme, Stevens-Johnson-Syndrom, Lyell-Syndrom und hämatologische Reaktionen mit Anämie (u.a. Autoimmunhämolytische Anämie), Leukopenie und Thrombopenie
- Arzneimittelinterferenzen - Aufgrund einer hohen Plasmaproteinbindung konkurrieren Sulfonamide mit anderen Medikamenten um Bindungsstellen, darunter Cumarin-Derivate und Sulfonylharnstoffe
- Kernikterus - Auch Bilirubin wird durch Sulfonamide aus der Plasmaproteinbindung verdrängt. So kann es bei Neugeborenen und Ungeborenen zu gefährlich hohen Bilirubinspiegeln mit Ablagerung in Kerngebieten des Gehirns kommen. Eine Anwendung im letzten Trimenon der Schwangerschaft und bei Neugeborenen ist daher obsolet.
Die bei früher eingesetzten Sulfonamiden gefürchtete Nierenschädigung durch Auskristallisation von Sulfonamiden im Tubulussystem ist bei den noch verwendeten Substanzen nicht mehr häufig. Im Gegensatz zu den früher verwendeten Sulfonamid-Antibiotika sind die heute verwendeten Substanzen alle gut wasserlöslich.
Kontraindikationen
- Sulfonamid-Allergie
- schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen
- akute Porphyrie
- Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel (Favismus)
- Schwangerschaft, Stillzeit, Früh- und Neugeborene