Stethoskop
von altgriechisch: στῆθος ("stethos") - Brust und σκοπεῖν ("skopein") - betrachten
Englisch: stethoscope
Definition
Das Stethoskop ist ein auf Laënnec zurückgehendes medizinisches Untersuchungsinstrument zum Abhören von Körpergeräuschen (Auskultation). Das klassische Stethoskop setzt sich aus Schalltrichter, Schlauch und Ohrbügel zusammen.
Hintergrund
Das Stethoskop ist ein wichtiges Diagnosewerkzeug, dass eine Vielzahl von Krankheiten erkennen kann. Es wird u.a. verwendet, um die Herzfrequenz und die Herztöne zu überwachen, Atemgeräusche und Lungenfunktion zu überprüfen und Darmgeräusche zu hören. Es ist auch nützlich bei der Überwachung des Blutdrucks und bei der Suche nach Strömungsgeräuschen in großen Körperarterien.
Einteilung
...nach Funktionsprinzip
Man unterscheidet akustische und elektronische Stethoskope. Während elektronische Stethoskope mit Verstärkerelementen arbeiten, nutzen akustische Stethoskope einfache physikalische Phänomene. Seit einigen Jahren gibt es auch elektronische Stethoskope, die nur noch aus einem Stethoskopkopf bestehen und komprimierte Daten per Bluetooth an einen PC oder Kopfhörer übertragen.
...nach Form des Bruststücks
Akustische Stethoskope lassen sich in zwei Klassen einteilen:
- Flachkopfstethoskope: flaches Bruststück mit einer Abhörfläche
- Doppelkopfstethoskope: voluminöses Bruststück mit zwei unterschiedlichen Abhörflächen auf beiden Seiten
...nach Schlauchaufbau
- Einschlauchstethoskope: hat einen einfachen Schlauch
- Doppelschlauchstethoskope: hat einen doppellumigen Schlauch
Doppelkopf-Stethoskop Advance II von Doccheck
Bestandteile
Ein akustisches Stethoskop weist von oben nach unten folgende Komponenten auf:
- Ohrbügel, mit
- Federbügel
- Schlauch
- Stethoskopkopf ("Bruststück"), mit
- Schalltrichter
- Membran
Die beiden Ohrbügel sind an ihrer Basis durch einen Federbügel verbunden, der die Oliven leicht in den äußeren Gehörgang drückt oder beim Tragen hinter dem Hals zusammenführt.
Materialien
Stethoskope sind in vielen unterschiedlichen Materialien verfügbar. Bruststück und Ohrbügel bestehen meist aus Edelstahl, seltener aus Titan, der Schlauch aus unterschiedlichen Kunststoffen, u.a. Polyethylen oder Polyvinylchlorid. Die Ohroliven sind aus Kunststoffen oder weichem Silikon gefertigt.
Funktionsprinzip
Akustisches Stethoskop
Das akustische Stethoskop dient neben der klaren Filterung von Körpergeräuschen auch der Distanz zum Patienten, bei dem nicht mehr - wie vor Einführung des Instrumentes üblich - das Ohr auf die zu auskultierende Körperpartie aufgelegt werden muss.
Im Stethoskop-Schlauch entsteht zwischen der Membran am Bruststück und den Trommelfellen eine Luftsäule, die den Schall direkt von der Membran auf die Trommelfelle überträgt. Schallquelle und Trommelfell werden sozusagen "kurzgeschlossen". Die am Kopfteil angebrachten Oliven dichten den Gehörgang ab und verhindern ein Entweichen der Schallwelle sowie das Eindringen von Störgeräuschen. Die Schallverstärkung wird durch einen im Bruststück eingelassenen Trichter erreicht. Bei Stethoskopen mit Doppelkopf-Bruststück, kann man das Bruststück um 180° drehen. Zusätzlich zur Membran gibt es einen Trichter ohne Membran. Er ermöglicht eine bessere Wahrnehmung tieferer Frequenzen, was vor allem in der Kardiologie nützlich sein kann.
Durch spezielle Membrankonstruktionen ist es seit einiger Zeit möglich, durch eine Modifikation des Anpressdrucks der Membran unterschiedliche Frequenzbereiche zu betonen. Bei leichtem Anpressen werden die tiefen Frequenzen betont, bei stärkerem Anpressen eher die höherfrequenten Schallwellen.
Die Qualität akustischer Stethoskope ist sehr variabel, was sich auch im Preis bemerkbar macht. Entscheidende Faktoren sind ein gut verarbeiteter Stethoskopkopf, ein möglichst dickwandiger, steifer Schlauch und gut abdichtende, weiche Oliven (z.B. aus Silikon).
Elektronisches Stethoskop
Elektronische Stethoskope enthalten Mikroprozessoren, die Algorithmen zur Schallverstärkung und zum Ausfiltern von störenden Umgebungs- ("Ambient Noise Reduction") oder Reibungsgeräuschen ("Frictional Noise Reduction") bereit stellen. Darüber hinaus kann man die Geräusche direkt in digitalen Formaten (z.B. MP3) aufzeichnen oder auf dem Smartphone visualisieren. Mit Hilfe eines kleinen LED-Bildschirms im Stethoskopkopf kann man sich auch die vom Prozessor errechnete Herzfrequenz anzeigen lassen.
Nachteile der elektronischen Stethoskope sind die Abhängigkeit von einer Batterie und die deutlich höheren Anschaffungskosten. Bei elektronischen Stethoskopen ohne Schlauch ist das Gerät ohne Batterieladung sogar im Notfall nutzlos.
Anwendungsgebiete
Das Stethoskop wird im klinischen Alltag unter anderem für folgende diagnostische Maßnahmen verwendet:
- Auskultation der Brustorgane:
- Herzauskultation: Erfassen der Herzgeräusche und Herztöne
- Lungenauskultation: Erfassen der Atemgeräusche und Atemnebengeräusche (z.B. Rasselgeräusche)
- Auskultation des Abdomens (abdominelle Auskultation): Erfassen der Darmgeräusche oder - bei Schwangeren - der kindlichen Herztöne.
- Auskultation von Gefäßgeräuschen (Arteria carotis)
- Blutdruckmessung
- Kratzauskultation
Hygiene
Stethoskope sind potentielle Überträger von nosokomialen Erregern, da sie in der Regel vom medizinischen Personal zwischen den Untersuchungen nicht korrekt desinfiziert werden. Besonders für immunsupprimierte Patienten oder Patienten mit großflächigen Wunden oder Verbrennungen stellen sie ein potentielle Infektionsquelle dar.
Nach einem Review mehrerer Studien sind im Mittel rund 85 % aller Stethoskope bakteriell kontaminiert. Auf der Stethoskopmembran konnten dabei zwischen 27 und 158 koloniebildenden Einheiten (KBE) nachgewiesen werden. Der Grenzwert von maximal 5 KBE per cm2 wird dadurch deutlich überschritten.[1] Häufig anzutreffende Keime sind u.a. Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa, Enterobakterien und Acinetobacter spp. Die Situation wird dadurch erschwert, dass in vielen Stethoskopen Materialien verwendet werden, die von klinisch verwendeten Desinfektionsmitteln angegriffen werden.
Ein möglicher Lösungsansatz, um die Keimdichte zu verringern, ist die Verwendung von antibakteriell wirkenden Kunststoffen und Kupfermembranen.
Geschichte
Das Stethoskop wurde im Jahr 1816 vom französischen Arzt René Laënnec erfunden. Zuvor wurde das Abhören von Körpergeräuschen durch direkten Kontakt mit dem Ohr des Patienten durchgeführt, was für beide Seiten unangenehm war. Laennec kam auf die Idee, ein Rohr zu verwenden, um die Schallwellen von der Brust des Patienten zu übertragen.
Trends
Neben den Materialien spielt das Design des Stethoskops eine immer wichtigere Rolle. Während das Stethoskop in der Vergangenheit ein reiner Funktionsgegenstand war, zeigt sich in den letzten Jahren (Stand 2024) ein zunehmender Trend zur Individualisierung, der sich durch zahlreiche Muster- und Farbvarianten dokumentiert. Darüber hinaus sind Schmuck-Clips sowie individuell gestaltbare Membranen und Gravuren für Stethoskope verfügbar.
Parallel dazu hat bei den Konsumenten das Markenbewusstsein zugenommen. Von dieser Entwicklung profitieren große Hersteller (z.B. 3M), die den Markt mit immer neuen Varianten adressieren.
Trivia
"Der wichtigste Teil des Stethoskops sitzt zwischen den Oliven." |
Quellen
- ↑ 1. O‘Flaherty N, Fenelon L.: The stethoscope and healthcare-associated infection: A snake in the grass or innocent bystander? J Hosp Infect. 2015 Sep;91(1):1-7