Intramuskuläre Injektion
Synonym: i.m.-Injektion
Englisch: intramuscular injection
Definition
Unter einer intramuskulären Injektion versteht man die Injektion in einen Muskel, beispielsweise den Musculus gluteus medius oder den Musculus deltoideus.
Injektionsstellen
Glutealregion
Entgegen alter Lehrmeinungen sollte der Musculus gluteus maximus aufgrund der Verletzungsgefahr des unter ihm verlaufenden Nervus ischiadicus nicht punktiert werden. Zur Injektion in den Musculus gluteus medius kommen zwei Techniken in Betracht:
Oberschenkel
- Intramuskuläre Oberschenkelinjektion nach Hochstetter. Sie gilt als sicherste Methode der i.m.-Injektion, da die Verletzung des Ischiasnervs sehr unwahrscheinlich ist.
- Da bei Säuglingen und Kindern der Musculus deltoideus noch nicht ausgeprägt genug ist, bevorzugt man für die Applikation von Impfstoffen die intramuskuläre Injektion in den Musculus vastus lateralis. Die Innenseite des Oberschenkels sollte aufgrund der Verletzungsgefahr von Nerven und Blutgefäßen nicht als Punktionsstelle genutzt werden.
Oberarm
Eine Alternative zu den oben beschriebenen Techniken stellt die intramuskuläre Injektion in den Musculus deltoideus dar, die in der Regel am sitzenden oder stehenden (cave!) Patienten durchgeführt wird. Der Injektionsort ist die Hauptmasse des Musculus deltoideus. Die Injektionsnadel wird senkrecht zur Hautoberfläche, etwa drei QF unterhalb des Acromions eingestochen.
Auf Grund der geringen Muskelmasse eignet sich die intramuskuläre Injektion in den Musculus deltoideus nur für kleinere Injektionsvolumina (< 2 ml), z.B. im Rahmen von Impfungen. Von der Ständigen Impfkommission (STIKO) wird der Oberarm grundsätzlich als bevorzugte Injektionsstelle für Impfungen empfohlen.[1]
Vorbereitung
Für eine lege artis ausgeführte intramuskuläre Injektion werden folgende Materialien benötigt:
Material | Zweck |
---|---|
Einmalhandschuhe | Hygiene, Infektionsschutz |
Desinfektionsmittel | Hautdesinfektion der Injektionsstelle |
Steriler Tupfer | Einreiben des Desinfektionsmittels, Kompression der Punktionsstelle nach der Injektion |
Injektionslösung | Wirkstoffgabe |
Einmalspritze | Aufnahme der Injektionslösung |
Aufziehkanüle | Zum Aufziehen der Injektionslösung in die Spritze, falls kein Fertigspritze verwendet wird |
Injektionskanüle | Zur Punktion des Muskels |
Pflaster | Wundverband nach der Injektion |
Kanülenbox | Entsorgung der benutzten Kanülen |
Kanülen
Die Wahl der Kanülenlänge ist abhängig vom Patienten und vom gewählten Injektionsort. Es werden Kanülen mit einer Länge von 25 bis 70 mm verwendet. Bei Neugeborenen reicht eine 15 mm Kanüle aus.
Eine zu kurze Kanüle kann - insbesondere bei adipösen Patienten - zu einer Fehlinjektion in das subkutane Fettgewebe führen, was die Wirkstoffanflutung verändert und Fettgewebsatrophien auslösen kann. Beim zu tiefen Einstechen mit einer langen Kanüle kann sich die Spitze der Kanüle durch Knochenkontakt deformieren, was beim Zurückziehen zu unnötigen Gewebszerreißungen im Stichkanal führt.
Hautdesinfektion
Für die Hautdesinfektion der Punktionsstelle kann das Sprüh- oder Einreibeverfahren gewählt werden. Dabei sind die vom Hersteller angegebenen Einwirkzeiten zu beachten. Das Desinfektionsmittel sollte minimal 30 Sekunden einwirken und anschließend 30 Sekunden abtrocknen, bevor die i.m.-Injektion unternommen wird. Ein flüchtiges "Überwischen" der Punktionsstelle ist keine suffiziente Hautdesinfektion.
Obwohl dieses Vorgehen als "best practice" etabliert ist, ist die Wirksamkeit einer Hautdesinfektion bei i.m.-Injektionen im Hinblick auf die Vermeidung von Komplikationen in der wissenschaftlichen Literatur nicht eindeutig belegt.
Nach den Empfehlungen der WHO ist bei Impfungen keine vorherige Hautdesinfektion notwendig.[2]
Aspiration
Bei der Aspiration wird der Spritzenstempel kurz zurückgezogen, um sicher zu stellen, dass mit der Kanüle kein Blutgefäß getroffen wurde. Dieses Vorgehen basiert auf der Überlegung, dass es bei der Injektion in ein intramuskuläres Blutgefäß zu einem zu schnellen Anfluten des Wirkstoffes oder zu einer Hämatombildung im Muskel kommen könnte.
Nach neueren Untersuchungen wird die Aspiration bei i.m-Injektionen nicht mehr empfohlen, da es keine Evidenz dafür gibt, dass diese Maßnahme Injektionszwischenfälle verhindert.[3]
Bei der i.m.-Injektion von Impfstoffen empfiehlt das RKI, zur Stress- und Schmerzreduktion auf die Aspiration zu verzichten.[4]
Komplikationen
Eine sachgerecht durchgeführte intramuskuläre Injektion verläuft in der Regel komplikationslos. Zu den möglichen Komplikationen zählen:
- Spritzenabszess (septisch oder aseptisch)
- Aseptische Muskelnekrose
- Fettgewebsatrophie
- Schädigung benachbarter Leitungsbahnen (z.B. Nerven)
- Embolia cutis medicamentosa
- Schulterverletzung nach Impfung (SIRVA)
- Nekrotisierende Fasziitis
- Sepsis
Bei wiederholten Injektionen kann es ferner zu einer Muskelfibrose und/oder Verkalkungen im Muskel- oder Fettgewebe kommen.
Kontraindikationen
- Akuter Myokardinfarkt: Die intramuskuläre Injektion führt zur Freisetzung muskelspezifischer Enzyme, welche die Labordiagnostik des Herzinfarkts erschweren.
- Schock: Die Durchblutung der Peripherie ist vermindert, dadurch unsichere Wirkstoffresorption
- Blutgerinnungsstörungen, z.B. Hämophilie oder Therapie mit Antikoagulantien: Gefahr einer massiven Hämatombildung an der Injektionsstelle
Rechtliche Aspekte
Die intramuskuläre Injektion ist eine ärztliche Tätigkeit, die vom Arzt nach vorheriger Überprüfung der jeweiligen Fachkenntnis an qualifiziertes medizinisches Fachpersonal (Pflegepersonal) delegiert werden kann. Der Durchführende trägt die Verantwortung für die fachkompetente Ausführung (Durchführungsverantwortung).
Links
- Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention, RKI: Anforderungen an die Hygiene bei Punktionen und Injektionen Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz, 2011, abgerufen am 20.07.2021
Quellen
- ↑ RKI: Wo soll injiziert werden? abgerufen am 20.07.2021
- ↑ WHO Best Practices for Injections and Related Procedures Toolkit, WHO 2010, abgerufen am 11.9.2019
- ↑ Sepah Y et al.: Aspiration in injections: should we continue or abandon the practice? Version 3. F1000Res. 2014; 3: 157. Published online 2017 Mar 1. doi: 10.12688/f1000research.1113.3 PMID: 28344770
- ↑ Warum hat die STIKO empfohlen, auf eine Aspiration bei der Injektion von Impfstoffen zu verzichten? rki.de abgerufen am 4.7.2018