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Tamm-Horsfall-Protein

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nach dem estnischen Virologen Igor Tamm (1922-1995) und dem US-amerikanischen Virologen Frank L. Horsfall (1906-1971)
Synonyme: Uromodulin, Tamm-Horsfall-Mukoprotein, Tamm-Horsfall-Glykoprotein, Sid-Antigen
Englisch: Tamm-Horsfall protein, Uromodilin

1. Definition

Das Tamm-Horsfall-Protein, kurz THP, ist ein Glykoprotein, das in der Niere gebildet wird. Es wird in gelöster Form mit dem Urin ausgeschieden und macht den Hauptteil der Urinproteine aus.

2. Genetik

Das Tamm-Horsfall-Protein wird durch das UMOD-Gen auf Chromosom 16 (Genlokus 16p12.3) kodiert.

3. Biochemie

Die Synthese des Tamm-Horsfall-Proteins findet in den Zellen des dicken aufsteigenden Schenkels der Henle-Schleife statt, also in der Pars recta des distalen Tubulus. Das reife THP besteht aus 616 Aminosäuren und hat eine Molekülmasse von 67 kDa. Es besitzt viele Cysteinreste sowie vier EGF-ähnliche Domäne. Die Halbwertszeit beträgt ca. 16 Stunden.

Aufgrund der posttranslationalen Modifizierung (u.a. Glykosylierung) hat THP nun eine Molekülmasse von ca. 85-100 kDa. Anschließend wird THP über das Glycosyl-Phosphatidyl-Inositol (GPI-Anker) an die luminale Zellmembran fixiert. Dort erfolgt schließlich eine proteolytische Spaltung des Tamm-Horsfall-Proteins, ehe es in das Lumen des Nierentubulus freigesetzt wird. Diese Reaktion wird durch die Serinprotease Hepsin katalysiert.

Im Urin macht THP mit 40-50 % den Hauptteil der Proteine aus und wird mit einer Konzentration von über 50-150 mg/d ausgeschieden. Jedoch wird es von den meisten Methoden zur Proteinquantifizierung im Urin nicht erfasst. Aufgrund der Sialinsäurereste liegt der isoelektrische Punkt von THP bei 3,5. Daher liegt es als polyanionisches Protein im Urin vor. Es tendiert dazu, große Aggregate mit ca. 7.000 kDA in Form einer porösen, dreidimensionalen Matrix zu bilden. Die Matrix wird aus langen Proteinfilamenten gebildet, die jeweils aus zwei in einer rechtsgängigen Doppelhelix angeordneten Protofilamenten bestehen. Die strukturelle Anordnung der Filamente hängt von den ionischen Bedingungen und vom ph-Wert im Urin ab.

4. Funktionen

Die genaue Funktion des Tamm-Horsfall-Proteins ist derzeit (2020) nicht endgültig geklärt. Es ist vermutlich an der Bildung des renalen Gegenstromgradienten, der Natriumhomöostase und der Blutdruckregulation beteiligt.

Weiterhin hat es wichtige immunmodulatorische Funktionen, insbesondere im Rahmen des unspezifischen Immunsystems: Es kann z.B. an P-Fimbrien von Mannose-sensitiven Escherichia coli-Stämmen binden und so die Adhäsion an das Epithel der ableitenden Harnwege verhindern. Weiterhin bindet es an Immunglobulinen sowie Zytokinen und aktiviert Monozyten und dendritische Zellen über Toll-like-Rezeptor 4 (TLR4). Umgekehrt kann es eine Infiltration von Neutrophilen in geschädigtes Nierengewebe hemmen. Auf Granulozyten bindet es an den EGF-Rezeptor und aktiviert die Rho- und MAPK-Signalwege.

Weitere vermutete Funktionen sind:

  • Hemmung der Kalziumoxalataggregation und dadurch Schutz der Niere vor der Bildung von Nierensteinen
  • Erhöhung der Harnsäureausscheidung
  • Regulation der Granulopoese im Knochenmark
  • Immunsuppression in der Amnionflüssigkeit um fetale Allograft-Abstoßung zu verhindern

5. Klinik

5.1. Transfusionsmedizin

Eine spezielle Anordnung von terminalen Zuckern in THP bildet eine Sequenz, die als Sda- bzw. Sid-Antigen bekannt ist. Es zählt zu den hochfrequenten erthrozytären Antigenen, wird aber nicht auf neonatalen Erythrozyten exprimiert. Die Expression variiert stark auf Erythrozyten.

Antikörper gegen THP sind meist vom IgM-Typ und haben nur eine geringe transfusionsmedizinische Bedeutung.

5.2. Harnsediment

Bei einem Abfall des pH-Werts, bei Konzentrationserhöhung oder höherer Salzkonzentration kann THP polymerisieren und die Matrix von sogenannten Zylindern darstellen. Ein Zylinder, das fast nur aus THP besteht, wird als hyaliner Zylinder bezeichent und kann regelmäßig im Urinsediment nachgewiesen werden. Hyaline Zylinder finden sich bei verstärktem distalen Harnfluss, unter starker körperlciher Belastung sowie bei Fieber. Einlagerungen von Epithelzellen, Erythrozyten, Leukozyten oder Bakterien führen zu Zylindern, die pathologische Vorgänge im Tubulusapparat anzeigen.

5.3. Multiples Myelom

Bei Patienten, bei denen ein Multiples Myelom vorliegt, kommt es in den Nierenkanälchen in Anwesenheit des Tamm-Horsfall-Proteins zur Ausfällung von freien Leichtketten in Form von Eiweißzylindern. Das daraus resultierende Krankheitsbild mit Zerstörung der Zellen in den Nierenkanälchen nennt sich Myelomniere. Dabei wirken die Ausfällungen toxisch auf die Zellen der Nierenkanälchen. Nach und nach lässt die Funktion der Niere nach und es kommt häufig zu einem akuten Nierenversagen.

5.4. UMOD-Mutationen

Häufige, nicht kodierende Sequenzvarianten des UMOD-Gens in der Allgemeinbevölkerung gegen mit einem mäßig erhöhten Risiko für eine chronische Niereninsuffizienz einher.

Bei Mutationen des UMOD-Gens kann es zu Uromodulin-assoziierten Nierenerkrankungen (UAKD) kommen. Die UAKD zählen zu den autosomal-dominanten tubulointerstitiellen Nierenerkrankungen (ADTKD) Dabei ist die Exkretion von THP vermindert, was zu einer verminderten Ausscheidung von Harnsäure führt. Es resultiert eine Hyperurikämie bzw. eine Gicht. UAKD führen zu einer meist im jungen Erwachsenenalter beginnenden, progressiven tubulointerstitieller Nephritis mit Bildung von Nierenzysten, sodass ein Nierenversagen die Folge ist. Dabei unterscheidet man zwischen:

Die Form von dysmorphe Erythrozyten (z.B. Akanthozyten) entsteht vermutlich durch die Auflagerung von THP.

6. Literatur

Stichworte: Eponym, Niere, Protein, Urin
Fachgebiete: Labormedizin, Urologie

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14.10.2024, 10:31
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