FlexiEssay: Teamwork in der Intensivmedizin
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Abstract
An der Therapie von Intensivpatienten sind viele Berufsgruppen und Fachdisziplinen beteiligt. Das erfordert eine besonders gute Zusammenarbeit, die heute durch veränderte Rahmenbedingungen und Ressourcenknappheit hohen Anforderungen unterliegt. Welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit es gibt und welche Auswirkungen die Qualität der Zusammenarbeit haben kann, beschreibt folgender Beitrag.
Einleitung
An der Therapie von Intensivpatienten sind in der Regel neben Intensivmedizinern und Intensivpflegekräften Fachvertreter (Internisten, Chirurgen, Labormediziner etc.) beteiligt. Nur Intensivmediziner und Intensivpflegekräfte haben ständigen Kontakt zu den Patienten. Es bestehen daher keine Zweifel darüber, dass sich Intensivmedizin und Intensivpflege bezüglich der Notwendigkeit der Zusammenarbeit verändert haben und sich weiter verändern werden. Die Intensivmedizin sieht sich vor Probleme gestellt, die eine enge Zusammenarbeit nötig machen: Die Probleme betreffen Patienten, Rahmenbedingungen und Ressourcen.
Veränderte Patientenstruktur
- Unsere Patienten werden immer älter und multimorbider, das führt dazu dass die Anzahl der Patienten mit sehr eingeschränkter physiologischer Reserve ständig steigt.
- Viele Betroffene verlieren die Fähigkeit, ihre Grundbedürfnisse überhaupt wahrzunehmen.
- Die hohe Lebenserwartung der Bevölkerung stellt erhöhte Anforderungen an die medizinische Leistung und die geriatrische Kompetenz der Betreuer.
- Das Risiko für Komplikationen wächst mit dem Alter unserer Patienten.
- Angehörige kommen mit hohen Erwartungen und einer sehr großen Rechtsempfindlichkeit in die Kliniken.
Veränderte Rahmenbedingungen
Die Rahmenbedingungen der Krankenhäuser ändern sich rasant. Die Entwicklung zu Gesundheitszentren ( Polikliniken) und der Wunsch privater Anbieter nach Portalkliniken sind nur zwei Beispiele. Die integrative Versorgung wird zum Muss, wenn Kliniken überleben wollen. Innerhalb von Klinikneubauten werden große Intensivbereiche (46 Betten ITS (46 Beatmungsplätze auf einer Station) und nicht selten zusätzlich 44 IMC - Betten (als zwei Stationen mit je 22 Betten) im Verbund als „Intensivmedizinisches Zentrum“ mit einer interdisziplinären Aufgabenstellung betrieben. Innerhalb dieses Verbundes hat es sich nicht bewährt konservative und chirurgische Fachdisziplinen zu mischen. Diese „Mammutgebilde“ bedürfen komplexer Hard- und Software, um den vielfältigen Überwachungs- und Therapieanforderungen gerecht werden zu können.
Die Dokumentation und Leistungserfassung in Medizin und Pflege haben inzwischen abstruse Maße angenommen, die zu einem Hindernis in der Patientenversorgung geworden sind und eine hohe Arbeitsunzufriedenheit bei den betroffenen Mitarbeitern/innen zur Folge hat. Die drastische Zunahme diagnostischer Möglichkeiten führt durch die nötige Begleitung dieser Patienten durch Mediziner und Pfleger in die Diagnostikabteilungen zu Lücken in der nötigen kontinuierlichen Observation auf der ITS (Intensivstation) und IMC. Ferner bedeutet jeder unnötige Transport zu einer fraglich nötigen diagnostischen Untersuchung, immer auch eine Gefährdung für den beatmeten Intensivpatienten.
Veränderte Ressourcen
Die Verknappung der Ressourcen in Medizin und Pflege führt zur Gefahr der Entprofessionalisierung und führt zur Häufung von Fehlern. Die Folgen sind ein schlechtes Betreuungsergebnis mit Zunahme der Unzufriedenheit der Mitarbeiter.
In einer Schweizer Klinik konnte die Qualität und Quantität der Intensivpflege in eindrucksvoller Weise mit medianen Weaningstagen von Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung in Zusammenhang gebracht werden. Der Vergleich des Zusammenhangs der Besetzung im Pflegedienst mit der Länge der Beatmungstage brachte folgendes Ergebnis: Mit sinkender Personalstärke nehmen die Beatmungstage der Patienten zu. Die Ressourcen allein bestimmen die Qualität der Intensivtherapie nicht. Von entscheidender Bedeutung ist die Kooperation der verschiedenen Mitarbeitergruppen.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit der Hauptarbeitsgruppen in der Intensivtherapie? Eine amerikanische Untersuchung auf acht Intensivstationen in sechs Krankenhäusern (226 Ärzte / 324 Pflegekräfte) befasste sich mit der Zusammenarbeit der Arbeitsgruppen. Funktioniert die Zusammenarbeit aus der Sicht der Pflegekräfte nicht, sehen die Ärzte trotzdem weniger Probleme, solange ihre Verordnungen lege artis "erledigt" werden.
Krankenschwestern und Krankenpfleger dagegen, sehen deutliche Defizite. Ursächlich hierfür sind der Zeitdruck, die Versuche, den Pflegedienst als „stille Reserve“ für alle Eventualitäten zu nutzen und die Unmöglichkeit, unter fachfremden Tätigkeiten eine ganzheitliche Pflege zu leisten.
So stimmten 71 % der Pflegekräfte der Aussage zu, dass die Zusammenarbeit von Pflegekraft zu Pflegekraft funktioniert. Innerhalb der Bewertung der Zusammenarbeit der Pflegekräfte mit den Ärzten waren nur 33% der Krankenschwestern und Krankenpfleger der Meinung, dass die Zusammenarbeit klappt.
Mögliche Ursachen: Im Medizinstudium erfahren Studenten weder etwas über Pflegetheorien noch über den Pflegeprozess und kennen damit auch nicht den wirklichen Umfang der Pflegeleistung. Das betrifft auch die Erkenntnisse der Pflegewissenschaften. In der Therapie liegt eindeutig die Anordnungsverantwortung beim ärztlichen Dienst und die Durchführungsverantwortung bei den Pflegefachkräften.
Warum spielt die Sichtweise der Pflegekräfte eine so große Rolle?
- Die Pflegekräfte sind deutlich länger pro Schicht am Patientenbett. Auf Intensivstationen mit guter Observation sind es acht Stunden pro Schicht.
- Fachpflegekräfte für Intensivpflege haben in Deutschland eine zusätzlich zweijährige berufsbegleitende, anspruchsvolle Fachweiterbildung und verfügen häufig über eine längere klinische Erfahrung.
- Die nötige Einbeziehung in Entscheidungen auf leitungsmäßig gut geführten Stationen, steigert die Motivation der Pflegekräfte. „Teamwork“ sollte daher nicht nur ein Lapsus sein, sondern von allen Berufsgruppen werden.
- Die Expertise von Ärzten und Pflegekräften in der Intensivpflege und Intensivmedizin ist in der Regel nicht hierarchisch, sondern komplementär, weil beide Berufsgruppen ein gemeinsames Ziel haben – die Genesung des Patienten.
Was kann passieren, wenn die Zusammenarbeit nicht funktioniert?
Fehlende Zusammenarbeit führt zu Motivationsverlust und damit zu einem schlechten Arbeitsklima. Motivation bedeutet: Können, Wollen und Dürfen. Ein schlechtes Arbeitsklima führt immer zu, eigentlich vermeidbaren, Störungen in der Versorgung unserer Patienten.
Baggs und Mitarbeiter untersuchten die Zusammenarbeit aus der Sicht der Pflegekräfte im Zusammenhang mit der Rückverlegungsrate (n=286). Die hohe Rückverlegungsrate aus Betreuungseinheiten mit einer schlechten Arzt-Pflegebeziehung(16%) spricht für sich und beinhaltet auch den Grad der patientenbezogenen Arbeitsablauforganisation (Ausführung der Arbeitsprozesse und Belegungsmanagement). Die Rückverlegungsrate aus Einheiten mit einer guten Arzt-Pflegebeziehung betrug dagegen nur 5 %. Das in Konzernkliniken anzutreffende Flusssystem in Therapie und Pflege dekompensiert sofort, wen dieser Forderung nicht Rechnung getragen wird.
Nicht nur die Rückverlegungsrate ist ein Parameter bezüglich der Qualitätsarbeit, sondern auch die Letalität auf einer Intensivstation. Unersuchungen kamen zu dem Gesamtergebnis, das in Einheiten mit schlechter Arzt-Pflegebeziehung die Letalitätsrate 13% betrug, in Einheiten guter Arzt-Pflegebeziehung nur 3%. Keine andere Aussage könnte die Notwendigkeit einer guten Zusammenarbeit deutlicher klassifizieren.
Eine Reihe von Studien zeigen, dass ein teamorientiertes Vorgehen Vorteile hat: So wurden in einer Studie Beatmungsdauer, Reintubationsrate, die Dauer des Krankenhausaufenthalts und die Letalität verglichen: In der Gruppe der protokollorientierten Arbeit von Pflege und Medizin, waren die Ergebnisse signifikant besser.
Gleich gute Ergebnisse fand Brook bei der Sedierung innerhalb eines Vergleiches von Beatmungsdauer, Aufenthalt auf der ICU, Reintubation, Krankenhausaufenthalt und Letalität. Ausgangspunkt war die arztorientierte und die Pflegekraft-protokoll-orientierte Sedierung (Konkrete Anordnung mit schriftlich fixierten Vertrauensbereichen (Parameter) innerhalb derer sich die Pflegekraft frei bewegen kann). Das Ergebnis: Ergebnis: In allen Fällen sind die Ergebnisse auf der Grundlage einer Protokollorientierung besser.
Es lassen sich also Tätigkeiten finden, die durch protokollorientierte Teamarbeit mit besserem Ergebnis erledigt wurden. Auch das Gesamtmanagement der Intensivpatienten lässt sich durch Teamarbeit und Protokollorientierung deutlich verbessern. Burns kam innerhalb der Implementierung eines team- und protokollorientierten Gesamtmanagements von beatmeten Patienten zu folgenden Ergebnis: Nach der Umstellung auf ein team- und protokollorientiertes Management konnten Beatmungsdauer, der Aufenthalt auf der Intensivstation und der Gesamtaufenthalt, die Letalität und damit die Kosten deutlich gesenkt werden.
Fazit
Die Team- und protokollorientierte Behandlungsorganisation ist der traditionellen, hierarchischen, Behandlungsorganisation deutlich überlegen.
Die gemeinsame Verantwortung für den Patienten bezieht sich auf eine klare Zielstellung und Therapieplanung, das Verlegungsmanagement und auf eventuelle Therapieabbruch-Entscheidungen.
Teamwork birgt aber auch die Gefahr, alles zu zerreden. Daher sind in der Zusammenarbeit klare Organisationsformen und deutlich definierte Zuständigkeiten Voraussetzung. Die DGF legte in 07.2009 den DGF-Fachkrankenpflegestandard vor. Dieser ist ein weiterer Schritt in Richtung Patientensicherheit und Qualitätssicherung.