Homologie
von griechisch: ὁμολογεῖν ("homologein") - übereinstimmen
Definition
Als Homologie bezeichnet man in der Biologie und Anatomie die grundsätzliche Übereinstimmung von Körperstrukturen, physiologischen Vorgängen oder Verhaltensweisen zweier verschiedener Lebewesen aufgrund ihres gemeinsamen evolutionären Ursprungs.
Der Begriff Homologie wird ebenfalls für Gene verwendet, die einen gemeinsamen Ursprung haben.
Grundprinzipien der Homologie
Die Homologie ist ein Grundprinzip der vergleichenden Anatomie. Trotz dieser Bewertung in Bezug auf die Abstammung müssen Homologien mit morphologischen Kriterien bewertet werden. Adolf Remane (1898-1976) hat hierfür drei Hauptkriterien genannt:
- Homologie ergibt sich bei gleicher Lage.
- Homologie ergibt sich aus der speziellen Qualität der Strukturen: Ähnliche Strukturen können auch ohne Rücksicht auf gleiche Lage homologisiert werden, wenn sie in zahlreichen Sondermerkmalen übereinstimmen.
- Homologie ergibt sich durch Verknüpfung über Zwischenformen (Kontinuitätskriterium): Selbst unähnliche und verschieden gelagerte Strukturen können als homolog angesehen werden, wenn zwischen ihnen Zwischenformen nachweisbar sind, so dass bei Betrachtung zweier benachbarter Formen die unter (1) oder (2) angegebenen Bedingungen erfüllt sind. Die Zwischenformen können der Ontogenie der Strukturen entnommen sein oder echte systematische Zwischenformen sein.
Entscheidend für die Feststellung von Homologien ist also meist die Lagebeziehung im Bauplan eines Organismus (1. und 3. Kriterium). Die Definition eines Typus als idealisierte Darstellung des Bauplans ohne reale Existenz, ermöglicht hierbei eine Beschreibung der Baugesetzlichkeiten größerer Gruppen oder eines "Mittelwertes". Im Sinne dieser idealisierten Morphologie sind solche Strukturen als homolog zu bezeichnen, die im Typus die gleichen Lagebeziehungen besitzen. Besonders am 2. Kriterium lässt sich erkennen, dass homologe Strukturen unter Funktionswechsel einander in hohem Maße unähnlich werden können. Zusätzlich können Veränderungen der Proportion (Allometrien) das Erscheinungsbild einer Struktur verändern, so wie z.B. die Beziehung zwischen Gehirnvolumen und Körpergröße die Schädelstruktur verzerren können.
Im Gegensatz dazu können Strukturen völlig verschiedener Herkunft in Anpassung an gleiche Funktionen einander sehr ähnlich werden. Diese Anpassungsähnlichkeit wird als Analogie bezeichnet. Der Entwicklungsvorgang von weit entfernten Ausgangspunkten zu einander strukturell und funktionell ähnlichen (analogen) Strukturen wird Konvergenz genannt. Analogien oder Konvergenzen können leicht missgedeutet werden und für Homologien gehalten werden. Sie sind aber keineswegs immer Gegensätze, denn analoge Entwicklung kann auch von der Basis homologer Organe aus erfolgen. Solche durch Umwandlung homologer Strukturen diphyletisch oder sogar polyphyletisch entstandenen Analogien werden als Euanalogien bezeichnet.
Varianten des Homologiebegriffs
Der gemeinsame evolutionäre Ursprung homologer Organe ist eine Hypothese, die sich aus der Interpretation der Ergebnisse der vergleichenden Anatomie ergibt. Entsprechend dieser Interpretation hat der Homologiebegriff in den verschiedenen Bereichen der Biologie einen Bedeutungswandel erfahren: Die Entwicklungsbiologie unterscheidet die klassische Homologie nach Remanes Kriterien von der Homologe ontogenetischer Mechanismen. Diese ontogenetische oder "tiefe Homologe" bezieht sich dann auf die Ähnlichkeit von regulierenden Genen, wie z.B. den Hox-Genen. Die Systematik wiederum benutzt einen "taxischen Homologiebegriff", wobei hier Homologie mit Synapomorphien (gemeinsame abgeleitete Merkmale) gleichgesetzt wird. Die Evolutionsbiologie nutzt einen "transformationellen Homologiebegriff", der zur Analyse von evolutionären Transformationen von Merkmalen, nützlich ist. Zur Charakterisierung dieser Transformation müssen die Merkmale im Bezug auf ihren phylogenetischen Erklärungswert gewichtet werden: Gemeinsame primitive Merkmale (Plesiomorphien) sind für die phylogenetische Interpretation von geringem Wert, Spezialmerkmale (Apomorphien) haben einen großen Erklärungswert. Da die Entwicklungsbiologie, die Evolutionsbiologie und die Systematik Homologien also unterschiedlich ansprechen, stehen einige führende Systematiker (z.B. Willi Hennig, Peter Ax) dem Homologiebegriff kritisch gegenüber.
Die Molekularbiologie nutzt einen "quantitativen Homologiebegriff", der die Ähnlichkeiten von DNA-, RNA- oder Proteinsequenzen prozentual angeben kann. In diesem Zusammenhang plädierte der Frankfurter Wirbeltiermorphologen Dietrich Starck (1908-2001) voraus greifend dafür, dass die vergleichende Anatomie und auch der Homologiebegriff die Erkenntnisse der gesamten Biologie - insbesondere der Embryologie und der Evolutionsbiologie - berücksichtigen muss. Er beschrieb dementsprechend die moderne vergleichende Anatomie als Evolutionsmorphologie.
In dem Zusammenhang mit der Evolutionsforschung beziehen sich zwei weitere wichtige Begriffe der vergleichenden Anatomie auf den Zustand einer Struktur im Vergleich zu ihrer Ausbildung bei den stammesgeschichtlichen Vorfahren. Ihr gegenüber kann diese Struktur verkleinert oder vereinfacht sein und damit eine Rückbildung darstellen. Diese rückgebildeten und funktionslos gewordenen Organe werden als Rudimente bezeichnet.