Glucagon-Stimulationstest
Synonym: Glucagon-Test
Englisch: glucagon stimulation test
Definition
Der Glucagon-Stimulationstest, kurz GST, ist ein endokrinologischer Funktionstest, der zur Differentialdiagnostik der Hyperinsulinämie, des Wachtumshormonmangels und des Phäochromozytoms eingesetzt wird.
Testprinzip
Hyperinsulinämie
Der Glucagon-Test dient der Prüfung der Stimulierbarkeit der Betazellen des Pankreas. Glucagon induziert eine maximale gegenregulatorische Sekretion von Insulin und C-Peptid.
Wachstumshormonmangel
Intramuskulär oder subkutan verabreichtes Glucagon stimuliert die Hypophyse zur Ausschüttung von Somatotropin. Die genauen Mechanismen der hormonellen Antwort sind noch nicht vollständig geklärt.
Phäochromozytom
Eine intravenöse Verabreichung von Glucagon führt im Rahmen eines Phäochromozytoms zu einer vermehrten Katecholaminausschüttung und somit zu einer Blutdrucksteigerung.
Indikationen
Durchführung
Hyperinsulinämie
Vor der Durchführung des Tests sollte der Patient sich mindestens 3 Tage lang kohlenhydratreich ernähren. 8 Stunden vor Testbeginn sollte keine Nahrungsaufnahme mehr erfolgen. Wasser kann getrunken werden. 30-60 Minuten vor Testbeginn wird eine Venenverweilkanüle gelegt, die durch eine Tropfinfusion mit steriler physiologischer Kochsalzlösung oder einen Mandrin offen gehalten wird. Die Untersuchung läuft dann nach folgendem Zeitschema ab:
Zeit [min] | Maßnahme |
---|---|
-5 | Blutentnahme für ersten Basalwert (Probe 0) Serumblut (C-Peptid, Insulin) und NaF-Blut (Blutglukose) |
0 | langsame i.v.-Injektion von 1 mg Glucagon in 10 ml 0,9% NaCI |
1 | Blutentnahme 1. Stimulationswert (Probe 1), Serum + NaF |
5 | Blutentnahme 2. Stimulationswert (Probe 2), Serum + NaF |
10 | Blutentnahme 3. Stimulationswert (Probe 3), Serum + NaF |
15 | Blutentnahme 4. Stimulationswert (Probe 4), Serum + NaF |
30 | Blutentnahme 5. Stimulationswert (Probe 5), Serum + NaF |
Das oben angegebene Schema ist ein Beispiel - es werden auch andere Testschemata durchgeführt. Die Bestimmung der Blutglukose sollte in jedem Fall erfolgen, um den Grad der Vorstimulation der Beta-Zellen zu erkennen.
Wachstumshormonmangel
Vor der Durchführung des Tests sollte der Patient mindestens 8 Stunden keine Nahrung mehr zu sich nehmen. Wasser kann getrunken werden. 60 Minuten vor Testbeginn wird eine Venenverweilkanüle gelegt, die durch eine Tropfinfusion mit steriler physiologischer Kochsalzlösung oder einen Mandrin offen gehalten wird. Die Untersuchung läuft dann nach folgendem Zeitschema ab:
Zeit [min] | Maßnahme |
---|---|
-30 | Blutentnahme für 1. Basalwert (Probe 0) |
0 | Blutentnahme für 2. Basalwert (Probe 1) i.m.-Injektion von 30 μg Glucagon pro kgKG bis zu einer Maximaldosis von 1 mg |
60 | Blutentnahme 1. Stimulationswert (Probe 2) |
90 | Blutentnahme 2. Stimulationswert (Probe 3) |
120 | Blutentnahme 3. Stimulationswert (Probe 4) |
150 | Blutentnahme 4. Stimulationswert (Probe 5) |
180 | Blutentnahme 5. Stimulationswert (Probe 6) |
Zeitgleich mit der Blutentnahme für die Bestimmung von Somatotropin wird jeweils der Blutzuckerwert bestimmt.
Phäochromozytom
Bei der Durchführung des Tests sollte man darauf achten, dass die Blutabnahme am liegenden und nüchternen Patienten erfolgt, der mindestens 30 Minuten vorher geruht und in den vergangenen 12 Stunden keinen Alkohol, Tee, Kaffee oder Nikotin zu sich genommen hat. Falls möglich, sollten Medikamente 24 Stunden vorher abgesetzt werden. Das abgenommene EDTA-Blut muss entweder sofort zentrifugiert oder eingefroren werden.
Zeit [min] | Maßnahme |
---|---|
0 | Blutentnahme für Basalwert (Probe 1) i.v.-Injektion von 1 mg Glucagon |
5 | Blutentnahme 1. Stimulationswert (Probe 2), EDTA-Blut |
10 | Blutentnahme 2. Stimulationswert (Probe 3), EDTA-Blut |
15 | Blutentnahme 3. Stimulationswert (Probe 4), EDTA-Blut |
Zeitgleich mit der Blutentnahme wird der Blutdruck gemessen.
Interpretation
Hyperinsulinämie, B-Zell-Reserve
Bei Gesunden kommt es nach der Glucagongabe zu einem Anstieg der Insulin- und C-Peptidkonzentration. Bei Basalwerten unter dem Normbereich und fehlendem bzw. zu geringem Anstieg von Insulin und C-Peptid ist die Funktionsfähigkeit der Betazellen eingeschränkt. Bei einem Diabetes mellitus können die bestimmten Werte Aufschluss darüber geben, ob der Patient insulinpflichtig ist oder mit oralen Antidiabetika behandelt werden kann. Liegt ein Insulinom vor, steigt der Insulingipfel auf mehr als 100 mU/l an, das C-Peptid auf mehr als 2,5 μg/l. Die Referenzbereiche variieren labor- und methodenspezifisch und sollten dem jeweiligen Befundausdruck entnommen werden. Die Sensitivität des Tests wird als mäßig angegeben (50-80%) - er wird deswegen nicht mehr empfohlen.[2]
Wachstumshormonmangel
Eine Somatotropin-Konzentration von mehr als 7 μg/l spricht für eine normale Hormonsekretion. Werte unter 3 μg/l (Kinder: 5 μg/l) sprechen für einen Wachstumshormonmangel. Werte zwischen 5 und 7 μg/l sollten weiter abgeklärt werden. Da die Werte methodenabhängig sind, sind die vom jeweiligen Labor angegebenen Cut-off-Werte ausschlaggebend.
Phäochromozytom
Bei einem Anstieg der Katecholamine auf mehr als das Dreifache des Basalwertes und einem Blutdruckanstieg um mehr als 20 mmHg gilt das Vorliegen eines Phäochromozytoms als wahrscheinlich, sodass eine weiterführende Diagnostik angeschlossen werden sollte. Aufgrund der Gefahr einer hypertensiven Krise sind bei der Durchführung des Glucagon-Tests α-Blocker bereitzuhalten.
Einschränkungen
- Keine Testdurchführung bei einem Blutglukosewert < 50 mg/dl
- Blutdruckwerte > 170 mmHg systolisch und > 110 mmHg diastolisch
Nebenwirkungen
Bei höheren Glucagon-Dosen und/oder zu rascher Injektion sind Überempfindlichkeitsreaktionen wie Nausea möglich.
Quellen
- ↑ Kevin C. J. Yuen: Glucagon Stimulation Testing in Assessing for Adult Growth Hormone Deficiency: Current Status and Future Perspectives ISRN Endocrinol. 2011; 2011: 608056. Published online 2011 Aug 11. doi: 10.5402/2011/608056 PMCID: PMC3262627 PMID: 22363884
- ↑ Neumeister B, Böhm BO: Klinikleitfaden Labordiagnostik, 6. Auflage (2018), Elsevier Verlag ISBN: 978-3-437-22235-1
Literatur
- Laborlexikon.de; abgerufen am 02.06.2021
- Dormann AJ et al.: Laborwerte, 7. Auflage (2018), Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, ISBN: 9783437220258