Farbwahrnehmung
Synonyme: Farbsinn, Farbsehen, Farbensehen
Englisch: color vision
Definition
Die Farbwahrnehmung ist der Teil des Sehens, der es ermöglicht, unterschiedliche Wellenlängen des Lichts wahrzunehmen. Für das Farbsehen sind spezialisierte Sinneszellen der Netzhaut verantwortlich, die man als Zapfen bezeichnet. Die von diesen Sinneszellen ausgehenden Reize werden im visuellen Cortex neuronal zur einer konsistenten Farbwahrnehmung verarbeitet.
Biochemie
Die Farbwahrnehmung basiert biochemisch auf Sehpigmenten, den Opsinen. Dabei handelt es sich um G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, die durch Kopplung an das Chromophor cis-Retinal lichtempfindlich sind. In der Literatur wird der Begriff "Opsin" manchmal nur für den Proteinanteil verwendet, häufig aber auch für das gesamte Sehpigment.
Man unterscheidet zwei verschiedene Gruppen von Opsinen, die Skotopsine oder Stäbchen-Opsine, die in den Stäbchen das Sehen bei Dämmerlicht und Dunkelheit ermöglichen, und die Photopsine oder Zapfen-Opsine, die bei den Zapfen für das Farbsehen verantwortlich sind.
cis-Retinal bildet zusammen mit den Skotopsinen das lichtempfindliche Sehpigment Rhodopsin, mit den verschiedenen Photopsinen die bei verschiedenen Farben absorbierenden Iodopsine.
Physiologie
Stäbchen
Stäbchen enthalten nur ein Opsin, das Rhodopsin. Es hat sein Absorptionsmaximum bei 498 nm, was etwa im Grünbereich liegt. Es erlaubt dem Normalsichtigen in starker Dunkelheit verbleibendes Restlicht zu erkennen.
Zapfen
Auf Ebene der Sinneszellen können nur mit den Zapfen Farben wahrgenommen werden, die Stäbchen unterscheiden ausschließlich zwischen hell und dunkel. Ursache für die Fähigkeit der Farbwahrnehmung der Zapfen sind ihre unterschiedlichen Opsine, d.h. die Proteinanteile der Sehpigmente. Es gibt drei Zapfenarten, die jeweils einen Opsintyp enthalten. Die unterschiedlichen Opsine unterscheiden sich in ihren Absorptionsspektren bezüglich der Wellenlänge des Lichtes. Ihre Absorptionsmaxima liegen bei rot (L-Iodopsin), grün (M-Iodopsin) oder blau (S-Iodopsin). Das heißt, es gibt jeweils einen Zapfentyp für Rot, Grün und Blau. Durch das von einem Gegenstand reflektierte oder emittierte Licht werden die einzelnen Zapfenarten abhängig von der Farbe (bzw. der Wellenlänge des Lichts) unterschiedlich stark erregt, sodass aus der Summe der Erregungen ein Farbeindruck ermittelt werden kann.
Neuronale Verarbeitung
Die neuronale Verarbeitung findet schon in der Retina, besonders aber im visuellen Cortex statt.
Die rezeptiven Felder der Neurone sind farbantagonistisch organisiert. Gegenfarbenneurone reagieren genau entgegengesetzt, je nachdem ob das Zentrum oder die Peripherie des Feldes gereizt wird. So werden sie zum Beispiel durch eine Stimulation durch rot im Zentrum des Feldes stimuliert, durch eine Stimulation der Peripherie des Feldes jedoch gehemmt.
Dies ist besonders für die Verstärkung von Farbkontrasten an Grenzflächen wichtig: Werden alle Zellen des gesamten rezeptiven Feld durch eine Farbe erregt, so wird das Gegenfarbenneuron teilweise erregt (zum Beispiel aus dem Zentrum), teilweise gehemmt (zum Beispiel aus der Peripherie). An den Stellen jedoch, wo zwei unterschiedliche Farben aufeinandertreffen, werden zum Beispiel nur die Zentren und ein Teil der Peripherie von der einen Farbe erregt (der Rest des rezeptiven Feldes entfällt auf die andere Farbe). An diesen Farbgrenzflächen werden die Gegenfarbneurone somit stärker erregt, weil durch die nur partielle Erregung der Peripherie eine geringere Hemmung des Neurons auftritt.
Anomalien
Farbsinnstörungen
Bei Farbsinnstörungen (Dyschromatopsien) kann zwischen bestimmten Farben nicht unterschieden werden, zum Beispiel zwischen rot und grün (Rot-Grün-Blindheit bzw. -Schwäche). Ursache ist das Fehlen oder der Funktionsmangel eines Zapfentyps. Bei der Rot-Grün-Blindheit gibt es nur zwei funktionsfähige Zapfentypen, einen für Blau und entweder einen für Rot (Deuteranopie) oder Grün (Protanopie). Bei einer Schwäche funktioniert einer der Rezeptoren nicht optimal, was dessen Farbeindruck schwächt.
Farbblindheit
Bei der Farbblindheit (Achromatopsie) können Farben überhaupt nicht wahrgenommen werden.
Besonderheiten
Blaue Gegenstände werden nicht so scharf wahrgenommen wie rote oder grüne. Die Ursache hierfür liegt in der Lokalisation der verschiedenen Zapfenarten auf der Retina. Während Zapfen für Rot und Grün vor allem im Bereich der Fovea centralis lokalisiert sind, dem Ort des schärfsten Sehens, finden sich die Zapfen für Blau eher in der Peripherie der Retina. Hier konvergieren mehr Zapfen auf eine nachgeschaltete Ganglienzelle – dadurch nimmt die Auflösung ab.