Taucherkrankheit
Synonyme: Dekompressionskrankheit, DCS, Morbus Caisson, Caissonkrankheit, "Kastenkrankheit"
Englisch: decompression sickness
, decompression illness (DCI), divers' disease, "the bends"
Definition
Die Taucherkrankheit ist ein disseminiertes Trauma, das durch Ausperlen von gelösten Gasen (Stickstoff, Helium) in verschiedenen Körpergeweben bei einer zu schnellen Druckänderung (rasches Auftauchen) entsteht.
Anmerkung: Die unabhängig von der Taucherkrankheit auftretenden neurologischen Effekte des Stickstoffs in größeren Tauchtiefen bezeichnet man als Stickstoffnarkose.
ICD10-Code: T70.3
Pathophysiologie
Beim Tauchen mit Pressluft als Atemgas (siehe auch: Kunstluft) lagert sich aufgrund des auf den Körper einwirkenden Wasserdrucks zunehmend Stickstoff in den Geweben ein. Der Umfang der Einlagerung (Lösung) ist abhängig von der Tauchtiefe und der Dauer des Tauchgangs.
Stickstoff ist ein inertes Gas, das im Gegensatz zu Sauerstoff oder Kohlendioxid nicht an Stoffwechselvorgängen beteiligt ist. Eingelagerter Stickstoff kann daher nur auf dem Weg der schrittweisen Abatmung über die Lunge aus dem Körper eliminert werden. Die Verteilung des Stickstoffs in den verschiedenen Geweben ist u.a. abhängig von ihrer Durchblutung und ihrem Fettgehalt. In gut durchbluteten Geweben (Gehirn, Muskel) wird Stickstoff relativ schnell eingelagert. Im Fettgewebe lagert sich Stickstoff langsamer ein, wird aber in deutlich höherer Konzentration gelöst als im "wässrigen" Muskelgewebe.
Wird der auf den Körper einwirkende Druck wieder gesenkt (Auftauchvorgang), spielen sich diese Vorgänge in umgekehrter Reihenfolge ab, d.h. die Gewebe, die den Stickstoff relativ schnell eingelagert haben, geben ihn schnell wieder ab, die ihn langsam eingelagert haben, geben ihn langsam wieder ab. Zudem muss der gelöste Stickstoff über das Blut wieder in die Lunge transportiert werden, um dort abgeatmet werden zu können. Der komplexe Vorgang der Umverteilung der inerten Gase zwischen den verschiedenen Kompartimenten benötigt Zeit. Diesem Umstand wird durch Einhalten von Dekompressionszeiten in verschiedenen Wassertiefen Rechnung getragen.
Erfolgt die Druckänderung während des Auftauchens plötzlich, wird die Löslichkeit von Stickstoff in den Geweben schlagartig reduziert. Dadurch kommt es zur Bildung von Gasblasen im Blut und anderen Körpergeweben, die die Struktur des Gewebes nachhaltig schädigen.
Auch bei einem regulär durchgeführten Tauchgang kommt es zur Bildung von so genannten "Mikroblasen", die jedoch nicht zu einer Zerstörung von Gewebsstrukturen führen.
Symptome
Die Symptome werden in zwei Klassen eingeteilt:
- DCS Typ I: Leichte Symptomatik mit Schmerz als Leitsymptom
- Gelenkschmerzen
- Muskelschmerzen
- Juckreiz der Haut (Taucherflöhe)
- Livedo reticularis
- Mikroembolien
- Ödeme
- Hautemphysem
- Müdigkeit
- DCS Typ II: Schwere Symptomatik mit neurologischen Ausfällen
Bei schwerem Verlauf kann die Taucherkrankheit tödlich enden. Eine eher seltene Komplikation ist die Hüftkopfnekrose beziehungsweise Osteonekrose.
Prognose
Die Prognose ist abhängig vom Ausmaß und der Lokalisation des Gewebstraumas. Leichtere Fälle heilen folgenlos aus, schwerere Traumen hinterlassen unter Umständen lebenslange Behinderungen.
Risikofaktoren
Das Risiko für eine Taucherkrankheit steigt, wenn mehrere Tauchgänge hintereinander durchgeführt werden. Jeder Tauchgang erhöht das Plateau von gelöstem Stickstoff, da die vollständige Elimination des Gases aus den Geweben erst nach einigen Tagen vollständig abgeschlossen ist.
Therapie
Hyperbare Oxygenation, bestehend aus:
- Schnellstmögliche Rekompression in einer Überdruckkammer und
- Sauerstoffgabe
In Tierversuchen wurden Stickstoffoxid-freisetzende Medikamente getest, die in einem gewissen Bereich die Bläschenbildung im Gewebe reduzieren sollen. Ob sich dieser Effekt für die Entwicklung eines "Tauchermedikaments" nutzen lässt, ist jedoch noch Gegenstand der Forschung.
Literatur
- Muth, C.-M. et al. Tauch- und Ertrinkungsunfälle, CME 2013; 10(7/8): 61-72, abgerufen am 22.07.2019