Brustwirbelsäule (Veterinärmedizin)
Synonyme: Pars thoracalis columnae vertebralis, BWS
Definition
Als Brustwirbelsäule bezeichnet man den mittleren Abschnitt der Wirbelsäule der Haussäugetiere. Die knöcherne Grundlage bilden die Brustwirbel.
Statik
Die Brustwirbel bilden eine aneinandergereihte und zum Teil auch ineinander verzahnte strukturelle Grundlage für die Brustwirbelsäule. Diese kann mit einem leicht dorsokonvexen Knochenstab verglichen werden. Aufgrund ihrer nur geringen Biegsamkeit dient sie bei den Pflanzenfressern und beim Schwein zur Anheftung der ausgeprägten Kopf- und Halsmuskulatur. Hierbei sind besonders lange Dornfortsätze an den Wirbeln ausgebildet, die dem kräftigen Muskelzug Stand halten.
Der vordere Abschnitt der Brustwirbelsäule übernimmt zusätzlich - als Teil der Gesamtwirbelsäule - die Aufgabe der Lastübertragung auf die Schultergliedmaße. Gleichzeitig sorgt sie unter Einbeziehung der Rippen für die Verankerung der Brust-Rippen-Schulter-Muskulatur. Die Brustwirbel sind dabei mit den Rippen gelenkig in Verbindung (Rippen-Wirbel-Gelenke, sodass die Rippen und Brustwirbel in ihrer Zahl übereinstimmen.
Anatomie
Die Brustwirbelsäule schließt sich an die Halswirbelsäule an und geht kaudal in die Lendenwirbelsäule über.
Anzahl
Die Anzahl der Brustwirbel ist bei den einzelnen Haussäugetieren recht unterschiedlich. Im Gegensatz zum Menschen (12 Brustwirbel) besitzen die Fleischfresser und Wiederkäuer 13 Einzelknochen (Hund seltener 14 oder 12). Beim Schwein sind 14 oder 15 (ausnahmsweise auch 16 oder 13) und beim Pferd 18 (manchmal auch 17 oder 19) Brustwirbel ausgebildet.
Morphologie
Grundsätzlich zeigen auch die Brustwirbel den typischen Aufbau eines Wirbels, es bestehen jedoch einzelne charakteristische Unterschiede.
Die Wirbelkörper (Corpora vertebrae) der Brustwirbelsäule sind v.a. im mittleren Abschnitt kürzer und schwächer ausgebildet. Somit besitzen nur die etwas kräftigeren Körper der kaudalen Brustwirbel ventral an ihrer Außenfläche eine schwache Crista ventralis.
Die kranialen sowie kaudalen Enden (Extremitas cranialis und caudalis) der Wirbel sind nur bei den ersten zwei Brustwirbel stärker gewölbt bzw. ausgehöhlt. Die restlichen Brustwirbel zeigen eine vorwiegend flache Endplatte. Im Grenzbereich zu den Bogenwurzeln besitzt jeder Wirbelkörper seitlich die Foveae costalis cranialis und caudalis. Die Foveae benachbarter Wirbel bilden dabei - zusammen mit der Zwischenwirbelscheibe - die Grube für die Aufnahme des Rippenkopfes. Am letzten Brustwirbel ist keine Fovea costalis caudalis ausgebildet.
Die Rippen artikulieren zusätzlich über ihre Rippenhöcker mit dem sehr kurzen Querfortsatz (Processus transversus). Hierfür ist eine Fovea costalis processus transversi als Vertiefung ausgebildet. Gleichzeitig sind an den kranialen Brustwirbeln die Gelenkflächen für den Rippenkopf auffallend tief ausgehöhlt und weit voneinander entfernt. Im Gegensatz dazu sind die entsprechenden Vertiefungen der lendennahen Brustwirbel flacher und enger benachbart. Diese Gelenkflächen verschmelzen sogar an den letzten Brustwirbeln miteinander, wodurch die kaudalen Rippen größere Bewegungsfreiheit erhalten.
An den Wirbelkörpern findet man unterschiedlich viele Gefäßkanäle, die an der Außenfläche der Körper und im Wirbelkanal neben der dorsalen Bandleiste ihre Öffnungen besitzen. Da der Wirbelbogen (Arcus vertebrae) den Körper derart stark überwölt, ist der Wirbelkanal im kranialen und kaudalen Bereich der Brustwirbelsäule äußerst breit und weit ausgebildet. Im mittleren Abschnitt ist er verhältnismäßig eng und im Querschnitt rundlich.
Die Dornfortsätze (Processus spinosi) des vorderen Brustwirbelsäulenabschnitts sind besonders hoch und bei den verschiedenen Haussäugetieren recht unterschiedlich ausgebildet. So werden die zunächst langen Dornfortsätze der Fleischfresser nach kaudal allmählich kürzer. Beim Schwein und auch bei den Wiederkäuern nehmen die Dornsätze bis zum 3., beim Pferd sogar bis zum 4. oder 5. Brustwirbel an Länge zu. Im weiteren Verlauf werden sie allmählich wieder niedriger, sodass sie beim Schwein bis zum 11., bei den Wiederkäuern und beim Pferd bis zum 12. Brustwirbel an Höhe verlieren. Die restlichen Brustwirbel zeigen lendenwärts annähernd konstant hohe Dornfortsätze.
Der kraniale Abschnitt der Brustwirbelsäule, der durch besonders hohe Dornfortsätze gekennzeichnet ist, wird bei den Haussäugetieren auch als Widerrist bezeichnet. Die Dornen der kranialen Brustwirbel sind zudem bei zunehmender Steilstellung nach kaudal geneigt. Die letzten Brustwirbel zeigen hingegen vorzugsweise nach kranial geneigte Dornfortsätze. Der Übergangswirbel wird als Vertebra anticlinalis bezeichnet. Er ist ein bei den Haussäugetieren tierartlich individuell positionierter Wirbel, der in den meisten Fällen im Bereich des 3. oder 4. Brustwirbels liegt.
Die freien Endungen der Dornfortsätze sind mehr oder weniger zu einer Tuberositas processus spinosi verdickt. Gleichzeitig sind an Stelle der Gelenkfortsätze an den kranialen Brustwirbeln nur Gelenkflächen ausgebildet. Hierbei sind die kranialen Gelenkflächen (jederseits des Wirbelbogens) dorsal und die kaudalen (im Bereich der Wurzel des Dornfortsatzes) ventral angeschliffen. Die Brustwirbel kaudal des Vertebra anticlinalis zeigen jedoch deutliche Gelenkfortsätze. Dabei verschmelzen die kranialen Fortsätze der kaudalen Brustwirbel mit den Zitzenfortsätzen (Processus mamilloarticulares). Die Gelenkflächen der kranialen und kaudalen Brustwirbel unterscheiden sich auch noch in der Stellung. Die kranialen Gelenkflächen stehen nahezu tangential zur Wölbung des Wirbelbogens, die kaudalen higegen sagittal. Aufgrund der verschiedenen Stellungen ergeben sich auch unterschiedliche Bewegungsmöglichkeiten. Im kranialen Bereich können daher kreiselartige Bewegungen um die Längsachse der Wirbel ausgeführt werden. Im Gegensatz dazu beschränkt sie die Bewegung des kaudalen Brustwirbelabschnitts vorwiegend auf dorsoventrales Auf- und Durchbiegen.
Beim Fleischfresser und beim Schwein findet man an den letzten Brustwirbeln nach kaudal gerichtete Hilfsfortsätze (Processus accessorii). Diese sind zunächst dem Querfortsatz dichter benachbart, rücken dann im weiteren Verlauf jedoch zunehmend auf den Wirbelbogen hinauf.
Die Incisura vertebralis cranialis ist an den Brustwirbeln nur leicht eingezogen, wohingegen die Incisura vertebralis caudalis tief in den Wirbel eingeschnitten ist. Die kaudale Einkerbung kann gelegentlich (beim Rind meistens) durch einen Knochensteg geschlossen sein, wodurch das Foramen intervertebrale zweigeteilt wird. Beim Schwein ist zusätzlich zum Foramen intervertebrale (Durchtritt von Blutgefäßen) noch ein Foramen vertebrale laterale ausgebildet.
Literatur
- Nickel, Richard, August Schummer, Eugen Seiferle. Band I: Bewegungsapparat. Lehrbuch der Anatomie der Haustiere. Parey, 2004.
- König, Horst Erich, Hans-Georg Liebich. Anatomie der Haussäugetiere: Lehrbuch und Farbatlas für Studium und Praxis. Schattauer Verlag, 2014.