Antikoagulanzien-assoziierte Nephropathie
Synonym: Warfarin-assoziierte Nephropathie
Englisch: anticoagulant-related nephropathy
Definition
Die Antikoagulanzien-assoziierte Nephropathie, kurz ARN, ist eine Form des akuten Nierenversagens, die durch eine übermäßige Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten (VKAs) oder direkten oralen Antikoagulantien (DOAKs) verursacht wird.
Pathogenese
Das auslösende Ereignis scheint eine Einblutung in die Glomerula zu sein. Infolge der glomerulären Hämorrhagie kommt es zur Verlegung der Nierentubuli durch Erythrozytenzylinder und dadurch zur Schädigung von Tubulusepithelzellen.
Risikofaktoren
- Vorbestehende Glomerulopathien: Strukturell abnorme glomeruläre Barrieren, wie sie Nierenerkrankungen mit dünner oder verdickter Basalmembran vorkommen, sind besonders anfällig für Blutungen. In einer kleinen Fallserie von ARN war die IgA-Nephropathie mit 73% die häufigste zugrunde liegende chronische Nierenerkrankung (CKD).
- Koagulopathie: Das Ausmaß der Antikoagulation, das erforderlich ist, um eine ARN auszulösen, ist nicht bekannt. Bei Warfarin-induzierter ARN lag der INR-Wert in einer Analyse am häufigsten im Bereich von 4. Manche Patienten können jedoch auch mit einem INR im therapeutischen Bereich eine ARN entwickeln. Studien haben gezeigt, dass ein Anstieg des Serumkreatinins über den Ausgangswert bei etwa 17% der mit Warfarin behandelten Patienten ohne zugrunde liegende CKD beobachtet wird, wenn der INR-Wert über 3 liegt.
Diagnose
Die definitive Diagnose wird durch eine Nierenbiopsie gestellt. Biopsien können jedoch meist zunächst nicht durchgeführt werden, da bei antikoagulierten Patienten ein hohes Blutungsrisiko besteht. Eine Verdachtsdiagnose ist möglich, wenn andere Ursachen eines akuten Nierenversagens durch klinische Befunde und serologische Tests ausgeschlossen wurden und wenn eine schwere oder kürzlich aufgetretene Koagulopathie vorliegt. Eine Biopsie kann erforderlich sein, wenn das Serumkreatinin trotz Korrektur der Koagulopathie weiter ansteigt oder deutlich erhöht bleibt.
Therapie
Im Vordergrund stehen die Behebung der übermäßigen Antikoagulation, supportive Maßnahmen und die Überwachung der Nierenfunktion.
Bei Patienten, bei denen eine Anpassung der langfristigen Antikoagulation klinisch möglich ist, wird folgender Ansatz empfohlen:
- Wenn der Patient einen VKA einnimmt, erfolgt ein Wechsel zu einem DOAK.
- Wenn der Patient einen DOAK einnimmt, wird die Dosis soweit wie möglich reduziert.
Prognose
Bei den meisten Patienten mit ARN stabilisiert sich das Serumkreatinin oder verbessert sich leicht innerhalb der ersten Wochen nach Korrektur der Koagulopathie. Viele Patienten zeigen jedoch nur geringe oder keine Erholung der Nierenfunktion.
Eine vermutete ARN ist mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert.
Literatur
- Wheeler DS, Giugliano RP, Rangaswami J. Anticoagulation-related nephropathy. J Thromb Haemost. 2016 Mar;14(3):461-7. doi: 10.1111/jth.13229. Epub 2016 Feb 15. PMID: 26670286.
- Brodsky S, Eikelboom J, Hebert LA. Anticoagulant-Related Nephropathy. J Am Soc Nephrol. 2018 Dec;29(12):2787-2793. doi: 10.1681/ASN.2018070741. Epub 2018 Nov 12. PMID: 30420420; PMCID: PMC6287865.