AIN-Transfer
Synonym: Nervus interosseus anterior-Transfer
Englisch: anterior interosseous nerve transfer
Definition
Der AIN-Transfer ist ein mikrochirurgisches Verfahren der peripheren Nervenchirurgie, bei dem der Nervus interosseus anterior (AIN) ganz oder teilweise zur Reinnervation motorischer Zielnerven – meist des Nervus ulnaris – verwendet wird. Ziel ist die Wiederherstellung der Handfunktion nach proximalen Nervenläsionen.
Anatomie
Der Nervus interosseus anterior ist ein rein motorischer Ast des Nervus medianus. Er verläuft an der Ventralseite der Membrana interossea antebrachii, begleitet von der Arteria interossea anterior, und innerviert folgende Muskeln:
- Musculus flexor pollicis longus
- radiale Anteile des Musculus flexor digitorum profundus
- Musculus pronator quadratus
Da der Nerv ausschließlich motorische Fasern führt und funktionell nur geringe Defizite bei seiner Teil- oder Totalverlagerung verursacht, eignet er sich gut als Spendernerv.
Indikationen
Der AIN-Transfer wird insbesondere bei proximalen Läsionen des Nervus ulnaris eingesetzt, wie sie nach traumatischen oder iatrogenen Verletzungen auftreten können. Eine weitere Indikation ist ein schweres Kubitaltunnelsyndrom mit intrinsischer Muskelatrophie oder Denervierung – insbesondere, wenn eine Dekompression allein die Funktion vermutlich nicht wiederherstellen kann.
Vorgehen
Der Nervus interosseus anterior wird zunächst identifiziert und distal präpariert. Anschließend wird er so weit wie möglich von seinem Ursprung entfernt durchtrennt, um eine maximale Länge für die Transplantation zu erzielen. Der motorische Ast des Nervus ulnaris wird im weiteren Verlauf freigelegt, häufig unter gleichzeitiger Dekompression der Guyon-Loge.
Bei der SETS-Transfertechnik ("supercharge end-to-side") wird im motorischen Ast des Nervus ulnaris ein perineurales oder epineurales Fenster angelegt. Der Nervus interosseus anterior wird anschließend mittels Mikronähten und gegebenenfalls unter Verwendung von Fibrinkleber End-zu-Seit an den ulnaren Ast koaptiert.
Liegt ein vollständiger Funktionsverlust des Nervus ulnaris vor, kann alternativ eine End-zu-End-Anastomose erfolgen. Das Verfahren wird häufig mit einer gleichzeitigen Dekompression des Nervus ulnaris am Ellenbogen kombiniert.
Ergebnisse
Der AIN-Transfer zeigt in der Literatur hohe Erfolgsraten mit funktionell relevanter Rückkehr motorischer Aktivität nach 6 bis 12 Monaten. Besonders bei frühzeitiger Durchführung (< 12 Monate nach Läsion) sind deutliche Verbesserungen der Handfunktion beschrieben.[1]
Typische Befunde nach erfolgreichem Transfer:
- Rückkehr der Daumenabduktion und Funktion der Musculi interossei
- Verbesserung von Griffkraft und Pinch-Funktion
- Minimale funktionelle Ausfälle des Musculus pronator quadratus
Quellen
Einzelnachweise
- ↑ McLeod et al., Anterior Interosseous‑to‑Ulnar Motor Nerve Transfers: A Single Center’s Experience in Restoring Intrinsic Hand Function, Hand (N Y), 2022