Fieberkrampf
Synonym: Infektkrampf
Englisch: fever-induced seizure, febrile seizure
Definition
Fieberkrämpfe sind Konvulsionen (Krampfanfälle), welche bei hohem Fieber im Kindesalter auftreten. Bei den Krampfanfällen handelt es sich in der Regel nicht um die Manifestation einer Epilepsie.
Pathogenese
Fieberkrämpfe ereignen sich bei Kindern mit anlagebedingt niedriger Krampfschwelle. Das Fieber führt zu einer weiteren Absenkung der Krampfschwelle mit der Folge eines tonisch-klonischen Krampfanfalls. Fieberkrämpfe sind mit einem Anteil von etwa 50 % die häufigsten Gelegenheitskrämpfe.
Klinik
Meistens treten Fieberkrämpfe im Fieberanstieg auf. Wegweisend für Diagnostik und die daraus abgeleiteten therapeutischen Maßnahmen ist die Unterscheidung zwischen unkomplizierten und komplizierten Fieberkrämpfen.
Unkomplizierte Krampfanfälle
- entsprechen rein äußerlich dem tonisch-klonischen Krampfanfall eines Epileptikers
- treten im Alter zwischen 6 Monaten und 6 Jahren auf
- dauern nicht länger als 15 Minuten bzw. nach neuerer Leitlinie ≤ 5 Minuten[1]
- treten innerhalb von 24 Stunden nur einmalig auf
- rezidivieren höchstens drei Mal
- führen nach Sistieren nicht zu spezifischer postiktaler Symptomatik (meistens nur Müdigkeit und Schlaf)
Komplizierte Fieberkrämpfe
- treten im Alter unter 6 Monaten oder über 6 Jahren auf
- entstehen auf dem Boden einer zerebralen Vorschädigung
- haben eine positive Familienanamnese bezüglich Epilepsien
- entsprechen einem fokalen Anfall
- dauern länger als 15 Minuten bzw. nach neuerer Leitlinie > 5 Minuten[1]
- gehen in Anfallsserien über
- zeigen postiktal neurologische Ausfälle bzw. Residuen (z.B. Hemiplegie, HHE-Syndrom)
- rezidivieren mehr als 3 Mal
Das Auftreten eines Kriteriums für komplizierte Krämpfe ist ausreichend für die Einordnung als komplexer Fieberkrampf.
Komplizierte Fieberkrämpfe gehen als Komplikation häufiger in einen Status epilepticus über.
Diagnostik
Diagnostisch müssen andere Krampfursachen ausgeschlossen werden. Dies können unter anderem zerebrale Infektionen (Meningitis, Enzephalitis), Hypoglykämien oder Hypocalcämien sein. Die Routine-Diagnostik umfasst daher:
- Labor
- Blutbild
- BSG
- Urinstatus
- Elektrolyte (Ausschluss Hypocalcämie)
- Lumbalpunktion (Gewinnung von Liquor cerebrospinalis zum Ausschluss Meningitis)
- EEG bei Fieberfreiheit nach erstmaligem Fieberkrampf (fokale Herde?)
Therapie
Akuttherapie
- In der Akutphase ist bei fortbestehendem Krampfen eine Krampfunterbrechung durchzuführen. Die Behandlung entspricht der Stufentherapie des Status epilepticus bei Kindern, wobei zunächst der Versuch einer rektalen Gabe von Diazepam, z.B. als Mikroklist, unternommen werden sollte. Die meisten fieberbedingten Anfälle dauern nur kurz an und klingen innerhalb von 3 Minuten spontan ab, sodass keine medikamentöse Akutbehandlung erforderlich ist. Anfälle, die länger als 5 Minuten anhalten, hören in der Regel nicht von selbst auf und sollten medikamentös behandelt werden.[1][2]
- Kinder unter 3 Jahren (Körpergewicht 10–15 kg) erhalten 5 mg Diazepam rektal, Kinder ≥ 3 Jahre (Körpergewicht ≥ 15 kg) 10 mg Diazepam. Diese Dosis kann alle 12 Stunden wiederholt werden, bis maximal 4 Dosen. Diese Dosierungen sind Richtwerte; eine individualisierte Dosierung kann erforderlich sein.
- Weiterhin sollte das Fieber durch die Gabe von Antipyretika (z.B. Paracetamol und Ibuprofen im Wechsel) bis zur endgültigen Entfieberung gesenkt werden.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Rezidivprophylaxe
- Eine Fiebersenkung allein stellt keine ausreichende Rezidivprophylaxe dar. Das gilt für alle Arten von Fieber, auch für evtl. kurze Fieberschübe im Anschluss an eine Impfung.
- Für die gesamte Zeit des Fiebers (z.B. im Rahmen einer Infektion) hat sich eine intermittierende Diazepamprophylaxe als wirksam gegen Anfallsrezidive bewährt. Die Dosierung sollte dabei bei etwa 0,3 mg/kg/d liegen. Es sollte jedoch an die Nebenwirkungen (Schwindel, Müdigkeit, etc.) gedacht werden. Insgesamt sollte die Diazepamgabe 72 Stunden nicht überschreiten.
- Ist Diazepam unwirksam, kann eine Dauertherapie mit Valproat oder Phenobarbital diskutiert werden. Dies sollte jedoch nur durchgeführt werden, wenn keine andere Behandlungsmethode anschlägt.
Prognose
Bei unkomplizierten Fieberkrämpfen in der Vorgeschichte entwickeln lediglich 1-2 % der betroffenen Kinder eine Epilepsie. Bei komplizierten Fieberkrämpfen sind es bereits 15 % der Betroffenen.
Während unkomplizierte Fieberkrämpfe die Entwicklung des Kindes nicht nennenswert beeinträchtigen, können nach mehrfachen komplizierten Fieberkrämpfen neurologische Schäden entstehen und fortbestehen.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Gerhard Kurlemann, Hiltrud Muhle (Gesellschaft für Neuropädiatrie, GNP): Leitlinie: Fieberkrämpfe im Kindesalter Entwicklungsstufe: S1 AWMF-Register-Nr. 022-005, 2021, abgerufen am 26.7.2024
- ↑ Oberhofer, E.: Fieberkrampf: kritische Fälle rasch erkennen. MMW Fortschritte der Medizin 2019; 161(10): 20.