Mechanosensitiver Kanal (Innenohr)
Definition
Der mechanosensitive Ionenkanal des Innenohrs ist ein nichtselektiver mechanosensitiver Kationenkanal, der apikal an den Stereozilie von äußeren, inneren und vestibulären Haarzellen lokalisiert ist und dem Hör‑ und Gleichgewichtssinn dient. In der Cochlea wird der Strom vorwiegend durch Kalium getragen; der Kanal ist jedoch auch für Calcium permeabel.
Physiologie
Aufbau
Die genaue molekulare Struktur ist aktuell (2025) nicht bekannt. Bisher konnten diverse Transmembranproteine identifiziert werden, die mit der Funktion des Ionenkanals verknüpft sind:
- TMC1/2 ("transmembrane channel-like proteins")
- TMIE ("transmembrane inner ear protein")
- TMHS ("tetraspan membrane protein of hair cell sterocilia")
Inwieweit diese Proteine an der Bildung der Kanalpore beteiligt sind und welche Funktion sie im Detail erfüllen, ist Gegenstand aktueller Untersuchung.
Funktion
Es handelt sich um einen Transduktionskanal, der mechanische Reize der Haarzellen in ein Rezeptorpotential umsetzt. Die Depolarisation öffnet spannungsabhängige Ca²⁺‑Kanäle, triggert die Freisetzung von Glutamat an den Ribbon‑Synapsen und löst so ein Aktionspotential in afferenten Neuronen des Nervus vestibulocochlearis aus.
Aktivierung
Die Auslenkung des Haarbündels verändert die Spannung der Tip‑Links zwischen benachbarten Stereozilien. Zug am Tip‑Link (in Richtung der höchsten Stereozilie) öffnet den Kanal, der sich nahe dem Ansatz des Tip‑Links am kürzeren Stereozilium befindet. Die Auslenkung in Gegenrichtung schließt ihn . Der Einstrom von Calcium trägt zur schnellen/adaptiven Rückstellung („Adaptation“) bei.
- Äußere Haarzelle (OHC): die längsten Stereozilien sind in die Tektorialmembran eingebettet; die Scherbewegung zwischen Tektorial‑ und Basilarmembran führt zur Bündelauslenkung
- Innere Haarzelle (IHC): die Auslenkung geschieht überwiegend durch die vom Schall erzeugten Scherströmungen der Endolymphe.
- Vestibuläre Haarzelle: die Stereozilien sind in die Gelmatrix der Otolithenmembran bzw. in die Cupula (Bogengänge) eingebettet; Relativbewegungen des Gelkörpers bewirken die Auslenkung
Transduktion
Das Ruhemembranpotential von Haarzellen liegt in der Regel bei etwa −55 mV, während das endokochleäre Potential ca. +85 mV beträgt. Die Endolymphe enthält eine Kaliumkonzentration von etwa 145 mmol/l. Daraus ergibt sich über der apikalen Membran eine treibende Spannung von typischerweise ca. 140 mV, sodass bei Kanalöffnung vor allem K⁺ (und in geringerem Anteil Ca²⁺) in die Zelle einströmt und die Depolarisation verstärkt.
Literatur
- Schmidt, Lang, Brandes: Physiologie des Menschen mit Pathophysiologie, 32. Auflage, Springer, 2020
- Cunningham C, Müller U.: Moleculare Structure of the Hair Cell Mechanoelectrical Transduction Complex. Cold Spring Harb Perspect Med., 2019