Hamilton-Angstskala
Synonym: Hamilton-Angst-Skala
Englisch: Hamilton anxiety scale, Hamilton anxiety rating scale
Definition
Die Hamilton-Angstskala, kurz HAM-A, ist ein klinisches Fremdbeurteilungsverfahren zur quantitativen Erfassung des Schweregrads von Angstsymptomen. Sie wurde 1959 von Max Hamilton entwickelt und zählt zu den etablierten Instrumenten in der psychiatrischen Diagnostik und Therapiekontrolle.
Hintergrund
Die Skala erfasst psychische („psychic anxiety“) und somatische („somatic anxiety“) Angstsymptome und wurde ursprünglich zur standardisierten Bewertung von Angst in klinischen Studien konzipiert. Sie ergänzt die diagnostischen Kriterien der Klassifikationssysteme, dient jedoch nicht der Diagnosestellung, sondern der Schweregradbestimmung und Verlaufsbeurteilung.
Aufbau
Die HAM-A umfasst 14 Items, die anhand einer 5-stufigen Ratingskala (0–4 Punkte) bewertet werden. Erfasst werden u.a. Spannung, Besorgtheit, Furchtsymptome, autonome Reaktionen sowie kardiovaskuläre, respiratorische, gastrointestinale und andere somatische Beschwerden. Die Gesamtpunktzahl liegt zwischen 0 und 56 Punkten.
Durchführung
Die Erhebung erfolgt im Rahmen eines strukturierten oder halbstrukturierten klinischen Interviews durch entsprechend geschulte Fachpersonen. Grundlage der Bewertung sind die subjektiven Angaben des Patienten sowie der klinische Gesamteindruck. Die Durchführungszeit beträgt meist 10–20 Minuten.
Auswertung
Die Einordnung des Schweregrads erfolgt orientierend anhand der Gesamtpunktzahl:
| Punkte | Bewertung |
|---|---|
| < 17 | leichte Angst |
| 18–24 | moderate Angst |
| 25–30 | deutliche Angst |
Diese Bereiche sind empirisch etabliert, jedoch nicht normbasiert. Die Interpretation sollte stets unter Berücksichtigung weiterer klinischer Informationen erfolgen.
Anwendungsgebiete
Einsatz findet die HAM-A vor allem bei Angststörungen sowie bei komorbider Angstsymptomatik im Rahmen depressiver oder somatoformer Störungen. Sie dient der Verlaufsbeobachtung während psychotherapeutischer und pharmakologischer Interventionen sowie als standardisierte Messgröße in klinischen Studien.
Gütekriterien
Die HAM-A weist bei trainierten Untersuchenden eine gute Interrater-Reliabilität sowie eine solide interne Konsistenz auf. Die konvergente Validität ist durch deutliche Zusammenhänge mit anderen Angstmaßen belegt. In klinischen Studien hat sich die Skala als sensitiv für therapeutische Veränderungen erwiesen.
Limitationen
Die Skala zeigt Überschneidungen mit depressiven und somatischen Symptomen, sodass körperliche Begleiterkrankungen oder komorbide Depression die Bewertung beeinflussen können. Die Reliabilität hängt von der Erfahrung der Untersuchenden ab. Moderne Selbstbeurteilungsinstrumente wie das Beck Anxiety Inventory (BAI) bilden teilweise differenziertere Symptomdimensionen ab, ersetzen die HAM-A jedoch nicht vollständig.
Literatur
- Hamilton. The assessment of anxiety states by rating. The British journal of medical psychology, 32(1), 50–55. 1959
- Maier et al. The Hamilton Anxiety Scale: reliability, validity and sensitivity to change in anxiety and depressive disorders. Journal of affective disorders, 14(1), 61–68. 1988