Geriatrische Depressionsskala
Synonym: Depressionstest nach Yesavage
Englisch: geriatric depression scale
Definition
Die Geriatrische Depressionsskala, kurz GDS, ist ein Screening-Instrument zur Erfassung depressiver Symptome bei älteren Menschen. Es handelt sich um einen Fragebogen, der speziell für die geriatrische Population entwickelt wurde und die besonderen Aspekte der Depression im Alter berücksichtigt.
Hintergrund
Die GDS wurde 1982 von Yesavage et al. entwickelt, um ein einfaches, für ältere Menschen geeignetes Instrument zur Erfassung depressiver Symptome bereitzustellen. Im Gegensatz zu anderen Depressionsskalen, wie dem Beck-Depressions-Inventar (BDI) oder der Hamilton-Depressionsskala (HAMD), berücksichtigt die GDS die besonderen Merkmale der Depression im Alter. Sie verzichtet dabei auf Fragen zu somatischen Symptomen, die bei älteren Menschen häufig andere Ursachen haben.
Versionen
Die GDS existiert in verschiedenen Versionen:
- GDS-30: Die ursprüngliche Version mit 30 Fragen
- GDS-15: Eine verkürzte Version mit 15 Fragen, die sich in der klinischen Praxis durchgesetzt hat
- GDS-10, GDS-5, GDS-4: Weitere Kurzversionen mit entsprechend reduzierter Fragenzahl
Die GDS-15 ist aufgrund ihrer guten Validität bei gleichzeitig reduziertem Zeitaufwand in der klinischen Praxis am weitesten verbreitet.
Durchführung
Die GDS kann als Interview oder als Selbstbeurteilungsinstrument eingesetzt werden. Die Fragen sind einfach formuliert und mit "Ja" oder "Nein" zu beantworten, was die Anwendung auch bei kognitiven Einschränkungen erleichtert. Die Durchführungsdauer beträgt für die GDS-30 etwa 10-15 Minuten, für die GDS-15 etwa 5-7 Minuten.
GDS-15
Die 15 Fragen der GDS-15 lauten:
- Sind Sie grundsätzlich mit Ihrem Leben zufrieden?
- Haben Sie viele Ihrer Aktivitäten und Interessen aufgegeben?
- Haben Sie das Gefühl, Ihr Leben sei leer?
- Ist Ihnen oft langweilig?
- Sind Sie meistens guter Laune?
- Haben Sie Angst, dass Ihnen etwas Schlimmes zustoßen wird?
- Fühlen Sie sich die meiste Zeit glücklich?
- Fühlen Sie sich oft hilflos?
- Bleiben Sie lieber zu Hause, anstatt auszugehen und etwas zu unternehmen?
- Glauben Sie, mehr Probleme mit dem Gedächtnis zu haben als die meisten anderen?
- Finden Sie, es sei schön, jetzt zu leben?
- Fühlen Sie sich so, wie Sie jetzt sind, eher wertlos?
- Fühlen Sie sich energiegeladen?
- Finden Sie, Ihre Situation sei hoffnungslos?
- Glauben Sie, dass es den meisten Leuten besser geht als Ihnen?
Auswertung
Bei der GDS-15 werden die Antworten mit 0 oder 1 Punkt bewertet, wobei die Punktevergabe je nach Frage unterschiedlich ist. Bei den Fragen 1, 5, 7, 11 und 13 wird ein Punkt für "Nein" vergeben, bei allen anderen Fragen ein Punkt für "Ja". Die Punkte werden addiert, wobei höhere Werte auf eine stärkere depressive Symptomatik hindeuten. Die Cut-off-Werte für die GDS-15 sind:
- 0-5 Punkte: Normbereich
- 6-10 Punkte: leichte bis mäßige depressive Symptomatik
- 11-15 Punkte: schwere depressive Symptomatik
Bei der GDS-30 gelten folgende Cut-off-Werte:
- 0-9 Punkte: Normbereich
- 10-19 Punkte: leichte bis mäßige depressive Symptomatik
- 20-30 Punkte: schwere depressive Symptomatik
Gütekriterien
Die GDS weist gute psychometrische Eigenschaften auf:
- Reliabilität: Die interne Konsistenz (Cronbachs Alpha) liegt bei 0,94 für die GDS-30 und bei 0,82 für die GDS-15. Die Test-Retest-Reliabilität beträgt 0,85 für die GDS-30.
- Validität: Die GDS zeigt eine hohe Korrelation mit anderen Depressionsskalen. Die Sensitivität der GDS-30 liegt bei 84 %, die Spezifität bei 95 %. Die entsprechenden Werte der GDS-15 betragen 80 % und 75 %.
- Änderungssensitivität: Die GDS eignet sich gut zur Verlaufskontrolle und zur Erfassung von Therapieeffekten.
Anwendungsbereiche
Die GDS wird in verschiedenen Settings eingesetzt:
- Geriatrische Abteilungen und Ambulanzen
- Hausärztliche Praxen
- Pflege- und Altersheime
- Gerontopsychiatrische Einrichtungen
- Gedächtnisambulanzen und Memory-Kliniken
Einschränkungen
Trotz ihrer guten Eigenschaften hat die GDS einige Einschränkungen:
- Bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Demenz ist die Anwendung problematisch, wenn die Fragen nicht mehr verstanden werden.
- Die GDS erfasst keine somatischen Symptome der Depression, was in manchen Fällen zu einer Unterschätzung der Symptomatik führen kann.
- Kulturelle Unterschiede können die Interpretation der Ergebnisse beeinflussen.
Klinische Relevanz
Die Depression im Alter ist häufig unterdiagnostiziert und untertherapiert, obwohl sie mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität einhergeht. Die GDS ist ein wichtiges Instrument, um depressive Symptome bei älteren Menschen frühzeitig zu erkennen und eine adäquate Behandlung einzuleiten. Die regelmäßige Anwendung der GDS wird im Rahmen des geriatrischen Assessments empfohlen, insbesondere bei Patienten mit chronischen Erkrankungen, nach Krankenhausaufenthalten oder bei Veränderungen der Lebenssituation.