Big Five (Psychologie)
Synonyme: Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit, FFM
Definition
Die Big Five beschreiben ein etabliertes Modell zur Erfassung grundlegender Dimensionen der menschlichen Persönlichkeit. Es geht davon aus, dass sich individuelle Unterschiede im Verhalten und Erleben durch fünf weitgehend unabhängige, überdauernde Persönlichkeitsdimensionen erklären lassen.
Geschichte
Die Entwicklung des Modells geht auf lexikalische und faktoranalytische Arbeiten des 20. Jahrhunderts zurück. Ausgangspunkt war die Annahme, dass zentrale Persönlichkeitsmerkmale in der Alltagssprache repräsentiert sind („lexikalische Hypothese“). Erste empirische Belege lieferten Arbeiten von Allport & Odbert (1936), gefolgt von Cattell (1946) und später Tupes & Christal (1961). Die heutige Formulierung der Big Five wurde insbesondere durch Costa & McCrae (1985) im Rahmen des NEO-PI(-R) popularisiert.
Die fünf Dimensionen
- Neurotizismus – beschreibt die emotionale Stabilität bzw. Anfälligkeit für negative Emotionen wie Angst, Reizbarkeit oder Traurigkeit.
- Extraversion – umfasst Geselligkeit, Aktivität, Durchsetzungsfähigkeit und die Tendenz, positive Emotionen zu erleben.
- Offenheit für Erfahrungen – bezieht sich auf intellektuelle Neugier, Fantasie, Kreativität und das Interesse an neuen Ideen oder Erlebnissen.
- Verträglichkeit – beschreibt zwischenmenschliche Orientierung, Empathie, Altruismus und Kooperationsbereitschaft.
- Gewissenhaftigkeit – kennzeichnet Selbstdisziplin, Zielstrebigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Organisationsfähigkeit.
Diese Dimensionen gelten als kulturübergreifend replizierbar und relativ stabil über die Lebensspanne, zeigen jedoch im Verlauf der Entwicklung typische Trends (z. B. Abnahme von Neurotizismus, Zunahme von Gewissenhaftigkeit im Erwachsenenalter).
Messinstrumente
Zur Erfassung der Big Five existieren verschiedene psychometrische Verfahren, darunter:
- NEO Personality Inventory-Revised (NEO-PI-R) und NEO-FFI (Costa & McCrae)
- Big Five Inventory (BFI)
Diese Instrumente werden sowohl in der Forschung als auch in der klinischen, arbeits- und gesundheitspsychologischen Praxis eingesetzt.
Bedeutung und Anwendung
Das Fünf-Faktoren-Modell bietet eine strukturierende Grundlage für Persönlichkeitsdiagnostik und psychologische Forschung. Es dient unter anderem der Vorhersage von Berufserfolg, Gesundheitsverhalten, interpersonellen Beziehungen und psychischer Vulnerabilität. Auch in der klinischen Psychologie findet es Anwendung, etwa zur Beschreibung von Persönlichkeitsstörungen.
Kritik
Trotz breiter empirischer Unterstützung wird das Modell dafür kritisiert, vorwiegend deskriptiv und theoriearm zu sein. Es erklärt das "Wie" der Persönlichkeitsunterschiede, nicht jedoch deren "Warum". Zudem wird auf kulturelle Unterschiede in der Ausprägung und Struktur der Faktoren hingewiesen.
Literatur
- Allport, G. W., & Odbert, H. S. (1936). Trait-names: A psycho-lexical study. Psychological Monographs, 47(1), i–171.
- Soto, C. J., & John, O. P. (2017). The next Big Five Inventory (BFI-2): Developing and assessing a hierarchical model with 15 facets to enhance bandwidth, fidelity, and predictive power. Journal of Personality and Social Psychology, 113(1), 117–143.
- Tupes, E. C., & Christal, R. E. (1992). Recurrent personality factors based on trait ratings. Journal of personality, 60(2), 225–251.
- Guilford, J. P. (1948). Review of Description and measurement of personality [Review of the book Description and measurement of personality, by R. B. Cattell]. The Journal of Abnormal and Social Psychology, 43(1), 114–118.
- Costa, P. T., Jr., & McCrae, R. R. (2008). The Revised NEO Personality Inventory (NEO-PI-R). In G. J. Boyle, G. Matthews, & D. H. Saklofske (Eds.), The SAGE handbook of personality theory and assessment, Vol. 2. Personality measurement and testing (pp. 179–198). Sage Publications, Inc.