Eine autochthone Infektion ist eine Infektion, die von einer Person, die in einer bestimmten Region lebt, in dieser Region erworben wurde. Im Gegensatz dazu steht die allochthone oder "importierte" Infektion, die von einer Person, die in einer bestimmten Region lebt, außerhalb der Region erworben wurde (z.B. Reisekrankheit).
Dieser Wortgebrauch ist vor allem bei der WHO und bei den für Infektionskrankheiten zuständigen Behörden oder Instituten von Staaten üblich, in Deutschland z.B. dem Robert-Koch-Institut. Ein Krankheitsfall wird vor allem dann als autochthon erwähnt, wenn die Infektionskrankheit in der bezeichneten Region (in der Regel ein Land) üblicherweise nicht auftritt. Der Umstand, dass eine erkrankte Person die Region nie verlassen hat, gilt als häufigster Beleg für eine autochthone Erkrankung.
Beispielsweise wurde in Deutschland bei einem 16 Monate alten Jungen eine durch Leishmania infantum bewirkte viszerale Leishmaniose festgestellt. Da das Kind Deutschland nie verlassen hatte, wurde die Infektion als autochthon eingestuft. Nachdem man festgestellt hatte, dass sich die Mutter mehrfach im Mittelmeerraum, einem Endemiegebiet des Erregers, aufgehalten hatte, nahm man eine kongenitale Übertragung des Erregers von der Mutter auf das Kind an.[1] Infektionen durch Leishmania infantum sind bei immunkompetenten Erwachsenen im Allgemeinen symptomlos, bei Kindern bis zu 4 Jahren kann die Leishmaniose ohne Behandlung tödlich sein.
In einem anderen Fall wurden 2011 und 2012 in Griechenland 46 autochthone Fälle (Anzahl gemäß Robert-Koch-Institut) von Malaria (Plasmodium vivax) bei Personen ohne Reiseanamnese festgestellt. Es wird vermutet, dass die Plasmodien durch heimische Anopheles-Mücken von Erntehelfern aus Malaria-Endemieländern übertragen wurden. Griechenland galt seit 1973 als malariafrei.[2][3]
In Deutschland sind autochthone Malaria-Infektionen sehr selten, kommen aber vor. So wurde 2006 ein Fall in Berlin beobachtet[4]. Der genaue Infektionsweg konnte nicht aufgedeckt werden, möglicherweise handelte es sich um eine nosokomiale Übertragung.
siehe auch: Flughafenmalaria
Bei autochthonen Infektionen ist die Abgrenzung einer endemischen von einer nicht-endemischen Infektion wichtig. Eine Endemie setzt gemäß Definition im Allgemeinen voraus, dass ein gewisser Anteil der Menschen im Endemiegebiet von der zur Diskussion stehenden Krankheit betroffen ist. Die WHO allerdings bezeichnet in ihren epidemiologischen Berichten pro Land und pro Jahr - als Teil der Global Health Observatory data (GHO data) - eine Infektionskrankheit in einem Land bereits dann als "endemisch", wenn mindestens ein autochthoner Fall mit vollständigem Übertragungszyklus abgesichert nachgewiesen wurde.
Im Fall des an viszeraler Leishmaniose erkrankten Jungen liegt eine Infektion vor, die autochthon, aber sicher nicht "endemisch" im Sinne der Definition ist. Eine Übertragung des Erregers Leishmania infantum durch eine Sandmücke von einem Hund auf den Jungen wurde nie erwogen. Auch der erwähnte deutsche Malaria-Fall ist nicht endemisch. Die Übertragung von Plasmodien über eine Anopheles-Mücke wurde hier nicht angenommen.
Könnte allerdings im Griechenland-Beispiel die vermutete Übertragung von Plasmodium vivax durch Anopheles-Mücken von Mensch zu Mensch nachgewiesen werden, so würde dieser Fall von der WHO als "endemisch" eingestuft. Die genannten Fälle könnten Ausgangpunkt einer neuen Endemie sein.
Es ist typisch für veröffentlichte autochthone Fälle, dass Vermutungen über deren Ursache mitgeliefert werden. Solche Vermutungen können richtig oder falsch sein. Bei einer Zitierung der entsprechenden Veröffentlichungen werden Vermutungen gern in Belege umgedeutet.
Fachgebiete: Allgemeine Mikrobiologie, Infektiologie
Diese Seite wurde zuletzt am 9. Oktober 2017 um 16:16 Uhr bearbeitet.
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