Wolff-Parkinson-White-Syndrom
nach den US-amerikanischen Kardiologen Louis Wolff (1898-1972), Paul Dudley White (1886-1973) und dem britischen Kardiologen Sir John Parkinson (1885-1976)
Englisch: Wolff-Parkinson-White syndrome
Definition
Das Wolff-Parkinson-White-Syndrom, kurz WPW-Syndrom, ist eine Herzrhythmusstörung. Es zählt zu den Präexzitationssyndromen und ist die häufigste Form der AV-Reentrytachykardie (AVRT).
- ICD10-Code: I45.6
Epidemiologie
Das WPW-Syndrom tritt in der Allgemeinbevölkerung mit einer Häufigkeit von 0,1 bis 0,3 % auf. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Der Erkrankungsgipfel liegt im 3. und 4. Lebensjahrzehnt.
Pathogenese
Bei einem Wolff-Parkinson-White-Syndrom liegt eine Anomalie des Erregungsleitungssystems des Herzens vor. Zwischen Vorhof und Kammer verläuft eine akzessorische Leitungsbahn (ALB), das sogenannte Kent-Bündel. Dadurch können vom Vorhof initiierte Erregungen nicht nur über den AV-Knoten auf das Kammermyokard übertragen werden, sondern auch über das Kent-Bündel. Umgekehrt kann die vom AV-Knoten übergeleitete Erregung über das Kent-Bündel auch wieder in den Vorhof zurückgeleitet werden ("Reentry").
Der AV-Knoten erfüllt die Funktion eines physiologischen Filters, der dafür sorgt, dass gefährlich hohe Frequenzen aus dem Sinusknoten oder ektopen Vorhoferregungszentren nicht auf die Kammer übergeleitet werden. Die akzessorische Leitungsbahn überträgt hingegen Vorhofimpulse ungefiltert auf die Kammer. Hochfrequente Vorhofimpulse führen dann zu den typischen paroxysmalen Tachykardieepisoden. Dabei kreist die Erregung zwischen Vorhof und Kammer.
Neben dem Kent-Bündel sind eine Reihe weiterer akzessorischer Leitungsbahnen zwischen Vorhof und Kammer beschrieben, die ebenfalls zu einem WPW-Syndrom führen können.
Einteilung
Während der Tachykardieepisoden des WPW-Syndroms kann die Erregung in zwei Richtungen laufen:
Symptome
In etwa 50 % der Fälle sind Patienten mit akzessorischer Leitungsbahn asymptomatisch. Bei den anderen 50 % treten Symptome wie Herzrasen, Schwindel, Synkopen, Dyspnoe oder Thoraxschmerzen auf. Harmlos, jedoch mitunter sehr störend, sind vom Patienten empfundene Palpitationen und "starke Schläge".
Typisch ist ein plötzlich beginnender, schneller und regelmäßiger Puls mit Frequenzen von 150 bis 250 Schlägen/Minute. Die Tachykardieepisoden können wenige Sekunden, aber auch mehrere Stunden anhalten. Sie enden ebenso plötzlich, wie sie begonnen haben.
Trifft eine Erregung durch die akzessorische Leitungsbahn auf nur teilweise refraktäres Kammermyokard, kann es zu lebensbedrohlichem Kammerflimmern und zum plötzlichen Herztod kommen.
Diagnostik
Das Wolff-Parkinson-White-Syndrom wird mittels EKG diagnostiziert. Typisch sind die Delta-Wellen im QRS-Komplex, die durch die frühzeitige Erregung des Kammermyokards entstehen und einen trägen Anstieg des QRS-Komplexes zeigen. Durch die Delta-Welle erscheint der QRS-Komplex im EKG verbreitert, weshalb man auch von einer Breitkomplextachykardie spricht. Sie tritt bei antidromer Erregungsleitung, aber auch bei orthodromer Erregungsleitung mit Schenkelblock auf.
Eine Schmalkomplextachykardie sieht man bei einer orthodromen Erregungsleitung ohne Schenkelblock. Differentialdiagnostisch kommt hier auch eine AV-Knoten-Reentrytachykardie (AVNRT) infrage.
Da die Erregung des Ventrikels im Vorhof weitergeleitet wird, erkennt man bei symptomatischen Patienten im EKG eine verspätete P-Welle, die nach dem QRS-Komplex im ST-Segment auftritt. Je nach Verlaufsrichtung der Vorhoferregung kann sie zusätzlich invertiert sein.
Weiterhin kann durch den Reentry der Erregung aus der Kammerebene in die Vorhofebene ein Vorhofflimmern entstehen.
Therapie
Eine Therapie ist notwendig, wenn das WPW-Syndrom symptomatisch ist. Dabei unterscheidet man zwischen der Akuttherapie zur Beendigung der paroxysmalen Tachykardie und der Kausaltherapie mit dauerhafter Unterbrechung der akzessorischen Leitungsbahn.
Akuttherapie
In einer Akutsituation, beispielsweise bei auftretender paroxysmaler Tachykardie bzw. akuter Symptomatik, kann durch die Gabe von Ajmalin eine Rhythmisierung erzielt werden. Des Weiteren kann auch Amiodaron eingesetzt werden.
Prinzipiell eignen sich auch die Elektrokardioversion und die atriale Überstimulation (Overdrive-Pacing).
Bei einer Breitkomplextachykardie besteht eine Kontraindikation für Medikamente, welche die AV-Knoten-Überleitung verlangsamen oder blockieren, wie beispielsweise Adenosin, Verapamil oder Digoxin bzw. Digitoxin. Diese Arzneistoffe können zu einer vermehrten Erregungsleitung über die akzessorische Leitungsbahn führen und im Extremfall ein Kammerflimmern induzieren. Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn gleichzeitig ein Vorhofflimmern besteht.
Bei einer regelmäßigen Schmalkomplextachykardie ohne Vorhofflimmern kann hingegen Adenosin gegeben werden, z.B. wenn nicht bekannt ist, ob es sich um ein WPW-Syndrom oder eine AVNRT handelt. Die Konversionsrate bei diesem Vorgehen wird mit 80 bis 90 % angegeben. Die medikamentöse Konversion sollte nur durchgeführt werden, falls auch eine Möglichkeit zur elektrischen Kardioversion bzw. Defibrillation besteht.[1]
Kausaltherapie
Eine kausale Therapie ist nur interventionell möglich (Katheterablation) und sollte vor allem bei rezidivierender bzw. schwerwiegender Symptomatik zum Einsatz kommen. Dabei erfolgt im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung die Koagulation der akzessorischen Leitungsbahn. Zuvor wird durch elektrophysiologische Untersuchung die Leitungsbahn genau lokalisiert.
Quelle
- ↑ Dillier R: Atrioventrikuläre Reentry-Tachykardie und WPW-Syndrom (2015) info@herz+gefäss, angerufen am 14.3.2022