Sehstörung
Definition
Als Sehstörung bezeichnet man unspezifisch jede pathologische Veränderung der visuellen Wahrnehmung (Sehen), unabhängig von der Ursache.
Hintergrund
Die Sehleistung konstituiert sich im Zusammenspiel von Visus (zentrales Sehen), Bewegungssehschärfe (peripheres Sehen) und Gesichtsfeld. Störungen in diesen Bereichen können ophthalmologischer und/oder neurologischer Genese sein (z.B. nach Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma) und Sehbehinderungen bis zur Erblindung nach sich ziehen.
Einteilung
Störungen des zentralen Sehens
Als zentrales Sehen wird die Abbildung eines Reizes auf der Fovea centralis (Sehgrube) bezeichnet. Hier befindet sich der 100%ige Schärfebereich. Die Sehschärfe ist in der Augenheilkunde der entscheidende Zielparameter. Zahlreiche rechtliche Vorschriften, die die Eignung für die Bedienung gefährlicher Geräte (z.B. Führerschein) oder für bestimmte Berufe (z. B. Polizei) festlegen, verlangen bestimmte Mindest-Visuswerte. Ebenso richten sich Leistungen privater und gesetzlicher Unfallversicherungen für Augenschäden und die Zahlung des gesetzlichen Blindengelds in erster Linie nach dem Visus. Für eine reproduzierbare Visusprüfung existieren DIN-Vorschriften.
Störungen des peripheren Sehens
Im übrigen Bereich der Netzhaut findet das periphere Sehen statt. Innerhalb des Gesichtsfeldes nimmt die Sehschärfe vom Fixationspunkt (zentrales Sehen) zur Peripherie hin sehr schnell ab (peripheres Sehen). Der 100%ige Schärfebereich beträgt nur ca. 1 Grad, bereits im Abstand von 3 Grad zum Fixationspunkt liegt die Sehschärfe nur noch bei ca. 50%, in einem Abstand von 6-7 Grad nur noch bei ca. 25%. Störungen des peripheren Sehens sind dennoch gravierend.
Wenn in der visuellen Peripherie plötzlich ein neues Objekt auftaucht oder Bewegung entsteht, werden gerade ablaufende Übertragungs- und Verarbeitungsprozesse zu Informationen aus dem zentralen Sehbereich gehemmt und unwillkürlich eine Neuorientierung eingeleitet, damit das Objekt fixiert werden kann. Der Wahrnehmende benutzt also ständig die peripher aufgenommene Information, um Fixationspunkte auszuwählen. Hieraus wird deutlich, dass keine schematische Karte unserer Umwelt aufgebaut wird. Die Netzhautperipherie hat ein niedriges räumliches, aber ein hohes zeitliches Auflösevermögen, und ist deshalb sehr empfindlich gegenüber Bewegungen.
Gesichtsfeldausfälle können prächiasmal (z.B. infolge Optikusatrophien, Hypophysenadenome, Kraniopharyngiome, Meningeome, Aneurysmen) wie retrochiasmal (Läsionen von Tractus opticus, Corpus geniculatum laterale, Sehrinde) auftreten. Die Diagnostik erfolgt perimetrisch.
Homonyme Hemianopsien lassen sich danach unterscheiden, ob der Defekt exakt das Gesichtsfeldzentrum durchtrennt (macular splitting) oder aber den innersten Bereich zum Zentrum freilässt (macular sparing). Ein splitting geht mit einer deutlichen Beeinträchtigung des Lesevermögens einher: für einen reibungslosen Lesevorgang ist ein intakter Gesichtsfeldbereich von mindestens je 2° nach links und rechts sowie mindestens je 1° nach oben und unten erforderlich.
Folgen von Gesichtsfeldstörungen sind häufig Beeinträchtigungen der visuellen Suche und Orientierung (Explorationsstörung). Bei linksseitigen Anopsien können beim Lesen Wort- und Zeilenanfang oft nicht richtig erkannt werden; bei rechtsseitigen Defekten ist das für den Lesevorgang konstitutive Zusammenspiel von Sakkaden und Fixationen gestört.
Rehabilitation
Therapeutisch können kompensatorische und restitutive Behandlungsverfahren unterschieden werden. Kompensatorisch wirkt Sakkaden- und Explorationstraining; mit einer visuellen Restitutionstherapie können ausgefallenene Gesichtsfeldareale wieder reaktiviert werden. Als Nebeneffekt einer durchgeführten visuellen Restitutionstherapie wurden Visusverbesserungen gezeigt.