Cholesteatom
Synonyme: Perlgeschwulst, Otitis media chronica epitympanalis
Englisch: cholesteatoma
Definition
Als Cholesteatom bezeichnet man eine chronisch-eitrige Entzündung des Mittelohrs mit Knochendestruktion, die in den meisten Fällen durch Einwachsen von Plattenepithel aus dem äußeren Gehörgang in das Mittelohr entsteht.
Pathogenese
Beim gesunden Ohr ist das Plattenepithel des äußeren Gehörgangs und das Schleimhautepithel des Mittelohrs durch das Trommelfell vollständig voneinander getrennt. Wird diese Barriere aufgehoben, können Plattenepithelzellen in die Paukenhöhle einwachsen. Dadurch kommt es zu einer epidermoidartigen Ausbreitung von verhornendem Plattenepithel in die Mittelohrräume. Durch den gestörten Sekretabfluss und eine bakterielle Superinfektion - häufig mit Pseudomonas aeruginosa - unterhält das eingewachsene Epithel einen chronischen Entzündungsprozess. Diese Entzündung kann auf die knöchernen Anteile von Mittelohr und Innenohr übergreifen, die dadurch sukzessive zerstört werden.
Einteilung
Das Cholesteatom kann anhand verschiedener Gesichtspunkte eingeteilt werden. Die Einteilung ist aufgrund der zahlreichen Erscheinung- und Übergangssformen jedoch erschwert und in der Literatur nicht einheitlich.
...nach der Pathogenese
Primäres Cholesteatom
Das primäre Cholesteatom wird auch genuines bzw. angeborenes Cholesteatom genannt und kommt selten vor. Es entsteht aus Zellversprengungen während der Embryonalphase, genauer gesagt durch nicht vollständig zurückgebildetes mesenchymales Gewebe in der Submukosa des Mittelohres. Im Gegensatz zu den anderen Cholesteatomformen entwickelt sich das genuine Cholesteatom bei intaktem Trommelfell.
Sekundäres Cholesteatom
Das sekundäre bzw. erworbene Cholesteatom ist die häufigste Form. Für seine Pathogenese existieren verschiedene Erklärungsmodelle. Mögliche Entstehungswege sind u.a.:
- Entstehung durch einen randständigen Trommelfelldefekt im Rahmen einer chronischen Mittelohrentzündung, durch den das Plattenepithel in das Mittelohr einwächst.
- Entstehung auf der Basis einer chronischen Störung der Tubenventilation, die zur Entwicklung so genannter Retraktionstaschen im rostralen Anteil des Trommelfells führt. Das Cholesteatom entwickelt sich aus den Retraktionstaschen heraus und wird dementsprechend "Retraktionscholesteatom" genannt (Retraktionstaschentheorie).
- Traumatisches oder iatrogenes Cholesteatom aufgrund einer Verletzung des Trommelfells mit konsekutivem Einwachsen von Plattenepithel in das Mittelohr.
...nach der Lokalisation
Je nachdem wo das Cholesteatom lokalisiert ist, unterscheidet man die folgenden Formen:
Epitympanales Cholesteatom
Das epitympanale Cholesteatom breitet sich typischerweise von der Pars flaccida des Trommelfells in das Epitympanon aus und kann bis zum Mastoid reichen.
Sinuscholesteastom
Das Sinuscholesteatom breitet sich von der Pars tensa des Trommelfells destruierend entweder in Richtung Epitympanon, unter den Malleus oder in den Sinus tympani aus.
Tensacholesteatom
Das Tensacholesteatom geht ebenfalls von der Pars tensa des Trommelfells aus und ist in der Regel auf das Meso- und Hypotympanon begrenzt.
...nach dem Wachstumsmuster
Nach der Form des Wachstums unterscheidet man:
- Langsam wachsendes Cholesteatom (Retraktionscholesteatom mit gestörter Tubenventilation)
- Schnell wachsendes Cholesteatom (intakte Tubenfunktion)
Symptome
Ein Cholesteatom äußert sich durch folgende Symptome:
- Ohrenschmerzen
- Fötide riechender Ohrausfluss (Otorrhö)
- Progrediente Schallleitungsschwerhörigkeit
- Kopfschmerzen
- Fieber
Diagnose
Die Diagnose wird mit Hilfe der Otoskopie gestellt. Der typische Befund ist ein Defekt in der Pars tensa oder Pars flaccida des Trommelfells mit Nachweis weißlich-gelber Schuppen oder Zellmassen in der Läsion. Weitere diagnostische Maßnahmen sind:
- Tubenfunktionsprüfung: Durch Valsalva-Pressversuch oder Fistelsymptom-Prüfung: Es wird von außen ein dicht abschließender Politzer-Ballon aufgesetzt und vorsichtig Druck auf das Ohr gegeben. Bei perforiertem Trommelfell folgt ein Spontannystagmus zur erkrankten Seite auf und der Test ist positiv.
- Tonschwellenaudiogramm: Nachweis einer Schallleitungschwerhörigkeit
- Computertomografie
- Röntgen
Komplikationen
- Destruktion der Gehörknöchelchen
- Innenohrschaden
- Fistelbildung mit dem Bogengangsystem
- Fazialisparese
- Meningitis
- Mastoiditis
Therapie
Die Therapie der Wahl ist die mikrochirurgische Sanierung des Mittelohrs mittels Tympanoplastik. Bei einem ausgedehnten Cholesteatom kann eine zusätzliche Mastoidektomie notwendig sein. Begleitend wird in der Regel eine systemische Antibiotika-Therapie durchgeführt, um den Entzündungsprozess zu reduzieren und bessere OP-Verhältnisse zu schaffen.
Literatur
- AWMF online: S1-Leitlinie Cholesteatom Stans 06/2014, abgerufen am 23.01.2023
- Lenarz et al., Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, 14., überarbeitete Auflage, Springer, 2012
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