Zellmigration
von lateinisch: migrare - wandern; movere, motum (PPP) - bewegen
Synonyme: Zellbewegung, Zellbeweglichkeit
Englisch: cell migration, cellular motility, cell motility
Definition
Unter Zellmigration versteht man die aktive Ortsveränderung von Zellen innerhalb eines Organismus unter Energieverbrauch. Die Fähigkeit zur Zellmigration wird Zellmotilität genannt. Sie ist eine wichtige Grundlage für viele physiologische Prozesse wie Embryogenese, Fortpflanzung, Immunabwehr und Wundheilung, aber auch für pathologische Prozesse wie die Metastasierung.
Grundlagen
Motile Zellen können sich spontan oder gerichtet bewegen. Die Zellmotilität wird durch das Zytoskelett (Aktinfilamente, Intermediärfilamente, Mikrotubuli) und Motorproteine (Myosine, Kinesine) ermöglicht. Zur Fortbewegung dienen die amöboide Bewegung oder kinetische Zellfortsätze (z.B. Geißeln). Zellen, die zur Migration befähigt sind, sind unter anderem embryonale Zellen, Spermien und Zellen des Immunsystems (Granulozyten, Makrophagen).
Bewegungsformen
Amöboide Bewegung
Die amöboide Bewegung beruht im Wesentlichen auf der dynamischen Umgestaltung des Zytoskeletts und auf der Anheftung der Zellen an die Extrazellulärmatrix (EZM). Dabei werden Aktinfilamente verlängert und Membranvesikel in Bewegungsrichtung eingebaut, was die Bildung von Zellfortsätzen (Pseudopodien) zur Folge hat. Letztere differenziert man u.a. in Filopodien und Lamellipodien.
In den Pseudopodien baut sich ein Gerüst aus hochmolekularem, fibrillärem F-Aktin auf, das durch Anbau niedermolekularen G-Aktins nach distal wächst, während es proximal wieder in G-Aktin zerfällt. Gleichzeitig wird die Vorderseite des Pseudopodiums durch den Einbau der Membranvesikel erweitert. Diese Vesikel werden entlang der Mikrotubuli nach distal transportiert. Auf diese schiebt sich die Zelle durch Einbau neuen Membranmaterials entlang der Aktinfilamente schrittweise weiter vor. Während die Lamellopodien der Verschiebung der eigentlich Zellmasse dienen, tasten die fadenförmigen Filopodien die Umgebung nach geeigneten Adhäsionsmolekülen in der EZM ab.
Geißelbewegung
Spermien bewegen sich mittels einer Geißel (Flagellum) frei in einer Trägerflüssigkeit. Die Geißeln sind von der Zellmembran umgeben und mit Zytoplasma ausgefüllt. In ihrem Inneren liegen Mikrotubuli in einer speziellen Anordnung (9×2+2). Neun doppelte Mikrotubuli bilden einen Kreis, in dessen Mitte zwei einzelne Mikrotubuli liegen. Diese Anordnung wird durch verschiedene Brückenproteine stabilisiert, darunter Nexin.
Regulation
Die Zellmotilität wird von intrazellulären Signalwegen, wie dem Rho-GTPase-System und Proteinkinasen (u.a. YSK1 und MST4) sowie externen Faktoren wie dem Zytokingradienten kontrolliert. Zytokine sind für die sogenannte Chemotaxis verantwortlich.
Einteilung
Man unterscheidet mehrere Mechanismen der Zellmigration:
- Chemotaxis: Fortbewegung entlang eines Gradienten löslicher Signalstoffe (z.B. Zytokine)
- Haptotaxis: Fortbewegung entlang eines Gradienten strukturgebundener Adhäsionsmoleküle (z.B. Fibronektin) in der extrazellulären Matrix
- Durotaxis: Fortbewegung entlang des Rigiditätsgradienten der extrazellulären Matrix
- Plithotaxis: Fortbewegung entlang eines Normal- und Scherspannungsgradienten
Klinik
Störungen der Zellmigration sind mit verschiedenen Krankheiten verbunden, darunter der Ausbreitung von Entzündungen, Metastasen und neurologischen Störungen. Das Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen hat das Potenzial, neue therapeutische Ansätze zu entwickeln, um beispielsweise die Metastasierung von malignen Krebszellen zu verhindern oder die Immunantwort zu modulieren.
um diese Funktion zu nutzen.