Verankerung (Kieferorthopädie)
Definition
Unter Verankerung versteht man in der Kieferorthopädie Strukturen, die Widerstand gegen unerwünschte Bewegungen und Drehmomente leisten. Bei diesen Strukturen kann es sich um einzelne Zähne, eine Zahngruppe oder andere anatomische Strukturen (z.B. Knochen) handeln.
Hintergrund
Nach dem dritten Newtonschen Gesetz ruft jede Kraft eine Gegenkraft hervor ("actio = reactio"). Kraft und Gegenkraft haben Einfluss auf alle Einzelelemente, die in einem mechanischen System verbunden sind. Diese Kräfte müssen im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung berücksichtigt werden, da die Behandlungsgeräte und Apparaturen Kräfte auf die Zähne und den Zahnhalteapparat ausüben, die entsprechend in unterschiedlichem Ausmaß Widerstand leisten.
Daher erfolgt zunächst eine Beurteilung der Verankerungssituation, die durch das natürliche Verankerungsvermögen der Zähne sowie durch die zur Verfügung stehenden mechanischen Verankerungsmittel bestimmt wird.
Klassifikation
Kieferorthopädische Verankerungen wurden historisch verschiedenartig klassifiziert.
... nach Gianelly und Goldman (1971)
Gianelly und Goldman teilten die Verankerungen in drei Kategorien ein, die das Ausmaß der Bewegungsfähigkeit der Zähne nach Kraftapplikation beschreiben:
- minimale Verankerung: Verankerung erfolgt an einzelnen Zähnen, diese bleiben beweglich (z.B. bei Lückenschluss durch Bewegung der Seitenzähne nach mesial)
- mäßige Verankerung (bzw. mittlere oder moderate Verankerung): zwei gleich starke Verankerungselemente bewirken eine reziproke Bewegung aufeinander zu, leichte Positionsänderung der Zähne sind möglich
- maximale Verankerung: Verankerungszähne können sich bei Kraftapplikation nicht bewegen (z.B. bei Retrusion der Oberkieferfront)
... nach Burstone (1982)
Burstone klassifizierte die Verankerung hinsichtlich des Beitrags der Verankerungseinheit zum Lückenschluss:
- Kategorie A: nach Extraktion des ersten Prämolaren wird der gesamte frontale Abschnitt (Eckzahn zu Eckzahn) durch Verankerung am zweiten Prämolar und ersten Molar in die Lücke zurückverlagert
- Kategorie B: reziproker Lückenverschluss, beide Seiten wandern gleich große Strecke aufeinander zu
- Katergorie C: nach Extraktion des zweiten Prämolaren wird der erste Molar durch Verankerung am Frontsegment nach mesial verlagert
Verankerungsmittel
Die verfügbaren Verankerungsmittel werden je nach Verankerungspunkt eingeteilt in dentale, desmodontale, extraorale und enossale Verankerungen.
Dentale oder desmodontale Verankerung
- Transpalatinalbogen
- Lingualbogen
- Lipbumper
- Nance-Apparatur
- Jasper-Jumper
- Klasse-II- und Klasse-III-Gummizüge
Extraorale Verankerung
Enossale Verankerung
- enossale Implantate
- Plattensysteme
- Minischrauben
Quellen
- Sander, Franz Günter et al. Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde: Kieferorthopädie, 2. Auflage, 2011, Thieme
- Philipp Eigenwillig Doktorarbeit: Einfluss der Knochenkonditionierung auf die Primärstabilität von Frialit®-2 Implantate Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, 2008
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