Mesencephalon (Geflügel)
Synonym: Mittelhirn
Englisch: mesencephalon
Definition
Als Mesencephalon bzw. Mittelhirn bezeichnet man jenen Abschnitt des Gehirns der Vögel, der sich rostral direkt der Medulla oblongata (verlängertes Rückenmark) anschließt.
Anatomie
Das Mesencephalon grenzt unmittelbar an die Medulla oblongata und wird dorsal durch die Großhirnhemisphären (Hemisphaerium cerebri) sowie ganz (Ente) oder auch nur teilweise (Huhn, Taube) durch das Cerebellum (Kleinhirn) bedeckt.
Morphologie
Den größten Anteil des Mesencephalons bildet das sogenannte Mittelhirndach (auch Sehhügel bzw. Tectum mesencephali genannt). Das Tectum mesencephali steht mit dem Tractus opticus in direkter Verbindung und ist – zusammen mit dem sehr gut entwickelten Gesichtssinn – besonders stark ausgebildet. Es erstreckt sich von der dorsalen Fläche beidseits weit nach lateral und ventral und ist funktionell mit dem Colliculus rostralis der Säugetiere vergleichbar.
Aufgrund der Größe des Tectum mesencephali ist auch der Aquaeductus mesencephali besonders weitlumig ausgeprägt, weshalb er beidseits mit einem weit nach lateroventral reichenden Ventriculus tecti mesencephali ausgestattet ist.
Aufbau
Das Tectum mesencephali weist einen komplexen Aufbau aus unterschiedlichen Zellen auf, sodass sich regelmäßig Schichten von Nervenfasern mit sechs Lagen von Nervenzellen abwechseln. Von diesen enthalten die periphersten Zellen die Afferenzen aus der Retina. Durch die flächenhafte Verteilung von Nervenzellen innerhalb dieser Lage und die Projektion der Lichteindrücke, die kontralateral von der Retina aufgenommen werden, besteht so eine gesetzmäßige und topographische Zuordnung.
Kerngebiete
Aus den Nervenzellen der mittleren Schichten stammen die Fasern des Tractus tectospinalis, der sowohl die motorischen Kerne der Augenmuskelnerven als auch die Motoneurone (v.a. von den Halsnerven) beeinflusst. Dadurch werden die Bewegungen der Augen, des Kopfes und des Halses optimal aufeinander abgestimmt. Dorsolateral von den Kerngebieten des Nervus oculomotorius sowie des Nervus trochlearis entsendet der Nucleus isthmoopticus efferente Fasern an die Retina. Es wird davon ausgegangen, dass er auf diese Weise die Empfindlichkeit der Lichtrezeptoren beeinflusst, da er selbst auch mit den Nervenzellen in den Schichten des Tectum mesencephali in Verbindung steht.
Entsprechend dem Colliculus caudalis der Säugetiere ist bei den Vögeln der dorsale Teil des Nucleus mesencephalicus lateralis für die vestibulären und akustischen Funktionen verantwortlich. Da dieser jedoch von den Schichten des Tectum mesencephali überlagert wird, kommt er an der Außenfläche des Mesencephalon nicht zum Vorschein.
Der ventrale Abschnitt des Mesencephalon wird auch Haube bzw. Tegmentum mesencephali genannt. In diesem Bereich befinden sich verschiedene Kerngebiete. Am wichtigsten sind der viergeteilte Kern des Nervus oculomotorius sowie der Kern des Nervus trochlearis. Zusätzlich befindet sich in diesem Abschnitt das rostrale Ende des sensiblen Endkerns des Nervus trigeminus (Nucleus mesencephalicus nervi trigemini). Die Formatio reticularis kann ebenso in dieser Region gefunden werden.
Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des Tegmentum mesencephali ist der Nucleus ruber, der beidseits ventromedial der Kerne des Nervus oculomotorius liegt. Er erhält einerseits Afferenzen des Cerebellums (Tractus dentatorubrothalamicus) und andererseits Afferenzen des Großhirns (Tractus septomesencephalicus). Über den Tractus rubrospinalis kann er zudem auf die Schaltzellen in der Laminae V, VI und VII der grauen Substanz aller Segmente des Rückenmarks bis hin in die Intumescentia lumbosacralis Einfluss nehmen. Auf diese Weise ist er wesentlich an der Ausführung und Koordination der Körpermotorik beteiligt.
Literatur
- Nickel R, Schummer A, Seiferle E. 2003. Lehrbuch der Anatomie der Haustiere, Band V: Anatomie der Vögel. 4., unveränderte Auflage. Stuttgart: Parey in MSV Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-4153-3