Immunparalyse
Englisch: immune paralysis, "second hit"
Definition
Als Immunparalyse wird eine Suppression des Immunsystems im Rahmen einer Sepsis bzw. nach einem Trauma oder einer Operation bezeichnet.
Ätiologie
Der treibende Faktor der immunparalytischen Phase ist das Interleukin-6. Dessen Bildung wird durch den von Monozyten und Makrophagen gebildeten Tumornekrosefaktor α und Interleukin-1β stimuliert. Interleukin-6 selbst spielt eine Schlüsselrolle in immunmodulatorischen Vorgängen.
Eine Immunparalyse tritt meistens zwischen dem 3. und 7. postoperativen Tag auf und folgt somit zeitlich dem Hyperinflammationssyndrom.
Pathophysiologie
Interleukin 6 stimuliert die Transkription vieler Faktoren und Hormone, unter anderem die von Glukokortikoiden (Kortison). Dieses wirkt wiederum immunsuppressiv, indem es die Bildung und Sekretion von Tumornekrosefaktor α und Interleukin-1β hemmt. Interleukin-1β wird hauptsächlich von Monozyten produziert und ist ein zentraler Botenstoff in der Antwort auf eine Entzündung oder Aggression gegenüber dem Organismus.
Zusätzlich stimuliert Interleukin-6 die Produktion von antiinflammatorischen Mediatoren durch die Makrophagen via Interleukin-1-Rezeptor-Antagonisten und löslichen Tumornekrosefaktor α-Rezeptor. Diese binden die proinflammatorischen Zytokine Tumornekrosefaktor α und Interleukin-1β, neutralisieren diese und blockieren somit die Immunantwort. Weiterhin bewirkt interleukin 6 die Freisetzung von Prostaglandin E2. Dieses reduziert ebenfalls die Tumornekrosefaktor α und Interleukin-1β-Synthese und stimuliert die Produktion von Interleukin-10. Dieses wiederum stellt den zentralen Mediator der antiinflammatorischen Reaktion dar. Interleukin 10 und Prostaglandin E2 führen zu einer Deaktivierung von Monozyten, Makrophagen und Granulozyten, wodurch eine der Situation inadäquate Immundefizienz entstehen kann.
Eine weiterer wichtige Rolle spielt die durch das Operationstrauma hervorgerufene T-Helferzellen-Dysbalance. Hierbei kommt es zu einer überwiegenden Aktivität der Th1-Lymphozyten, welche ebenfalls antiinflammatorisch wirken.
Auswirkung
Durch die Immunsuppression ist die Anfälligkeit des Patienten gegenüber opportunistischen Infektionen, zum Beispiel einer Pneumonie, erhöht. Hieraus resultierend kann es zu einer Sepsis oder einem septischen Schock kommen, was einen rapiden Anstieg der Mortalität zur Folge hat.
Weitere Folgen können ein ARDS oder die Progression eines Tumorwachstums beziehungsweise seine Metastasierung sein, da bei fehlender Immunabwehr das Nidation von Tumorzellen erleichtert wird.
Diagnose
Die Diagnose lässt sich anhand der Blutparameter Tumornekrosefaktor α (erniedrigt), MHC-II-Rezeptoren (erniedrigt) und Interleukin-6 (erhöht) stellen.
Therapie
Eine kausale Therapie der Immunparalyse gestaltet sich äußerst schwierig. Erste Ansätze liegen in der Steuerung des Tryptophan-Stoffwechselprozesses, der Gabe von GM-CSF und Tumornekrosefaktor α.