Global Assessment of Relational Functioning
Definition
Der Global Assessment of Relational Functioning, kurz GARF, ist eine 1–100-Skala zur globalen Einschätzung des Funktionsniveaus eines Beziehungssystems, beispielsweise einer Paar- oder Familienbeziehung. Die Skala wurde im DSM-IV im Appendix als ergänzendes Instrument zur systemischen Diagnostik beschrieben.
Hintergrund
Der GARF wurde entwickelt, um die individualzentrierte Diagnostik des DSM durch eine relationale Perspektive zu ergänzen. Er erfasst qualitative und strukturelle Merkmale von Beziehungssystemen und deren Bewältigungsfähigkeit. Mit Einführung des DSM-5 verlor die Skala ihren offiziellen Status, wird jedoch weiterhin in Psychiatrie und Psychosomatik, insbesondere jedoch in systemischer Therapie, Familientherapie, Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie in forensischen Kontexten genutzt.
Struktur und Bewertung
Die Bewertungslogik integriert drei Kernbereiche eines Beziehungssystems. Höhere Werte stehen für ein funktionales, gut organisiertes und belastbares Beziehungssystem; niedrigere Werte für deutliche Dysfunktion oder Desorganisation.
Interaktionsqualität
Bewertet werden Kommunikationsmuster, Affektabstimmung und Konfliktregulation. Dysfunktionale Interaktionen äußern sich z. B. in Eskalationen, chronischen Konflikten, Rückzug oder rigiden Mustern.
Organisation des Systems
Erfasst wird, wie klar Rollen, Verantwortlichkeiten und Grenzen definiert sind. Störungen zeigen sich etwa in Rollenverwirrung, chaotischen Strukturen oder mangelnder Stabilität.
Emotionaler und instrumenteller Support
Beschreibt Ausmaß und Qualität gegenseitiger emotionaler Zuwendung und praktischer Unterstützung. Defizite weisen auf Überlastung, geringe Responsivität oder Vernachlässigung hin.
Durchführung
Die Bewertung erfolgt durch systemische Exploration, Beobachtung realer Interaktionen (z. B. in Paar- oder Familiengesprächen) sowie durch ergänzende Fremdberichte. Grundlage ist das aktuelle Funktionsniveau des Systems; bei divergierenden Beobachtungen wird das niedrigste angemessene Niveau berücksichtigt.
Klinische Bedeutung
Der GARF unterstützt die Indikationsstellung und Verlaufsbeurteilung in Paar- und Familientherapien und dient als ergänzendes Maß in familienpsychologischen und forensischen Einschätzungen. Er ermöglicht eine globale, praxisnahe Einschätzung relationaler Belastungs- und Schutzfaktoren.
Kritik
Die empirische Evidenz ist begrenzt, insbesondere hinsichtlich Reliabilität und Validität. Die globale Struktur der Skala bildet komplexe Interaktionsmuster nur in vereinfachter Form ab und macht die Bewertung stark abhängig von klinischer Erfahrung.
Literatur
- American Psychiatric Association. (1994). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (4th ed.). American Psychiatric Publishing, Inc.. https://psycnet.apa.org/record/1994-97698-000
- Global Assessment of Relational Functioning scale (GARF): I. Background and rationale. Group for the Advancement of Psychiatry Committee on the Family. (1996). Family process, 35(2), 155–172. https://doi.org/10.1111/j.1545-5300.1996.00155.x
- American Psychiatric Association, DSM-5 Task Force. (2013). Diagnostic and statistical manual of mental disorders: DSM-5™ (5th ed.). American Psychiatric Publishing, Inc.. https://doi.org/10.1176/appi.books.9780890425596