Dieser Artikel ist keine lexikalische Definition, sondern ein so genannter FlexiEssay. Essays erklären spezielle Fragestellungen in der Medizin. Sie geben die persönliche Einschätzung des Autors wieder. Wie bei allen anderen Texten gilt: Lies dir den Artikel kritisch durch, vergleiche ihn mit anderen Publikationen und bilde dir eine eigene Meinung.
Unter Sterbebegleitung versteht man die Unterstützung todkranker Menschen während ihrer letzten Lebensphase, dem Sterben (Terminalstadium), daher ist sie auch Lebensbegleitung.
Für mehr als 90% der Menschen ist es der größte Wunsch, zuhause in ihrer vertrauten Umgebung, mit denen ihnen vertrauten Menschen um sich, zu sterben. Doch die Realität sieht anders aus: Für viele ist das Krankenhaus (42-43%) oder das Pflegeheim (15-25%)[1] die "Endstation" ihres Lebens, da sie - meist wegen einer krisenhaften Situation - aus dem häuslichen Bereich in eine stationäre Einrichtung überwiesen werden. In einigen Fällen sind es die Schwerkranken selbst, die eine Verlegung in ein Krankenhaus wünschen. Häufig sind es aber die Angehörigen, die sich mit einer Sterbebegleitung überfordert fühlen: Sie möchten nichts falsch machen und geben den Kranken aus Unsicherheit - oder weil sie vermuten, dass sie die Situation nicht aushalten können - in die stationäre Versorgung. Manchmal liegt es auch daran, daß sie selbst und auch hinzugezogene Ärzte nicht erkennen können, dass "das Sterben" jetzt begonnen hat und Interventionen zwecklos sind, "aber es soll nichts unversucht bleiben".
Oft ist auch eine häusliche Pflege nicht möglich, da die Angehörigen, die durchaus die Pflege übernehmen würden, selbst im Beruf stehen und für ihren Lebensunterhalt aufkommen müssen. Auch sind immer mehr Menschen alleinstehend. Eine legale und kompetente Ganztagspflege (eine Pflegeperson, die rund um die Uhr den Pflegebedürftigen in dessen Haushalt versorgt) kommt häufig aus finanziellen Gründen nicht in Frage. Aus diesen Gründen sind Krankenhäuser und Pflegeheime heutzutage dazu verpflichtet, unter anderem durch Fortbildung in Palliative Care gute Bedingungen für ein würdevolles Sterben auch innerhalb ihrer Einrichtungen zu schaffen.
In der Alltagssprache wird das Wort begleiten im Sinne von mitgehen, das Geleit geben, sich zu einander gesellen verwendet. Ein Begleiter ist dem Begleiteten nahe, kann seine Empfindungen und Gefühle spüren und der Begleitete kann umgekehrt die Empfindungen und Gefühle des Begleiters spüren.
Jemanden betreuen dagegen heißt, sich um jemanden sorgen, sich um dessen Angelegenheiten kümmern. Der Betreuer oder die Betreuerin greift damit sehr stark in die Geschehnisse ein und lässt dem Betreuten kaum noch Spielraum für eigene Entscheidungen und Handlungen, während der Begleitete selbst über seine nächsten Schritte entscheiden kann. Hinzu kommt, dass der Begriff Betreuung inzwischen u.a. mit einer genau definierten rechtlichen Aufgabe belegt ist.
Grundsätzlich ist die Sterbebegleitung etwas, was aus dem sozialen Miteinander erwächst und wozu es keiner besonderen Fähigkeiten bedarf außer der "mitmenschlichen Geste". Die Unsicherheiten auf diesem Gebiet sind aber größer geworden durch die Tatsache, dass kaum jemand mehr das Sterben in seinem Umfeld erlebt. "Sichtbares" Sterben findet fast ausschliesslich in den Medien statt, und dort in Darstellungen, die der Realität kaum oder überhaupt nicht entsprechen.
Für die Sterbebegleitung gibt es keine festgelegten Bestimmungen. Es gibt keine "professionellen" Sterbebegleiter, wohl aber Berufsgruppen, die im Rahmen ihrer Arbeit auch Sterbebegleitung "leisten", so wie viele der im Gesundheitswesen oder in der Seelsorge Tätigen. Ebenso gibt es Menschen aus anderen Berufsgruppen oder auch nicht (mehr) Berufstätige, die sich dieser Aufgabe aus den verschiedensten Gründen ehrenamtlich widmen.
Obwohl es keine festgelegte "Ausbildung" ehrenamtlicher Sterbebegleiter gibt, bieten viele kirchliche Organisationen und Hospizvereine Kurse an, die sich mit diesem Thema befassen. Darüberhinaus bieten viele Veranstalter auch eine Plattform für die Ehrenamtlichen zum gemeinsamen Austausch und oft sogar mit dem Angebot von Supervision.
Angehörige und Freunde eines Sterbenden werden fast "automatisch" zu Sterbebegleitern, da sie ihm am nächsten stehen und oft auch als Ansprechpartner fungieren. Allerdings lässt die große Nähe zum Sterbenden oft auch keine klare Sicht der Dinge zu, die nötige Distanz für bestimmte Entscheidungen ist wegen der eigenen Betroffenheit nicht oder nicht ausreichend vorhanden. Das führt dazu, dass Angehörige und Freunde selbst eine Begleitung benötigen. Im Idealfall gibt es einen oder mehrere Begleiter, die den Sterbenden und sein Umfeld im Blick haben. Das erhöht auch die Chancen auf eine einigermaßen entspannte Atmosphäre, denn nicht selten entbrennt gerade unter Freunden und Verwandten eines Sterbenden eine Art "Konkurrenz-" oder auch "Machtkampf": Wer hat das engste Verhältnis zum Kranken, wer kennt ihn am besten, wer hat "das Recht", die meiste Zeit an seiner Seite zu sein; wer hat zu bestimmen, was (und wer) gut ist für den Kranken und was nicht, oder wer besteht womöglich darauf, derjenige zu sein, der "beim letzten Atemzug" dabei ist. Kann sich der Sterbende selbst nicht mehr äußern und sind die "Fronten" verhärtet, ist eine Begleitung allein eventuell nicht mehr möglich; es sollte in so einem Fall zusätzlich eine rechtliche Betreuung eingerichtet werden.
Es gibt aber auf der anderen Seite auch Menschen, die sich nicht in der Lage fühlen, einen Sterbenden zu begleiten. Auch unter Pflegepersonal und Ärzten ist es nicht so selten, dass bei einigen eine Scheu vor der Begegnung mit Todkranken besteht. Das bedeutet nicht, dass diese keine "guten" Fachkräfte auf ihrem Gebiet sein können. Sie sollten aber zu ihrer Unsicherheit oder Überforderung stehen und Verantwortung übernehmen, indem sie dem Patienten Hilfe und Unterstützung von anderer, kompetenter Seite vermitteln.
An einen Begleiter, der nicht aus dem persönlichen Umfeld des Schwerkranken stammt, werden bestimmte Erwartungen gestellt. Um diesen entsprechen zu können, sollte sich dieser Begleiter mit verschiedenen Aspekten auseinandersetzen:
Er sollte sich selbst mit seinem eigenen Leben und Tod auseinandersetzen können, denn er wird immer mit der eigenen Vergänglichkeit konfrontiert. Ein geeignetes Maß an Selbstdistanz ist nötig, um sich vor emotionalen Verstrickungen zu schützen. Das Begleiten eines Menschen bis zu seinem Tod kann aber auch dazu führen, besser mit eigenen Gefühlen umzugehen und das eigene Leben bewusster zu gestalten.
Von großer Bedeutung ist die innere Bereitschaft, sich auf den Sterbenden einzulassen, wozu Einfühlungsvermögen und Offenheit notwendig sind. Diese Offenheit sollte auch in Hinblick auf eventuelle religiöse bzw. spirituelle Bedürfnisse bestehen. Die eigene Weltanschauung muss dabei nicht unbedingt zurückgehalten, sondern darf geäußert werden; es kann dadurch bei passender Gelegenheit sogar zu einer anregenden Diskussion mit dem Kranken führen, die aber nicht in einen "Bekehrungsversuch" entgleiten darf.
Der Begleiter sollte psychisch stabil und im Einklang mit sich selbst sein (Selbstkongruenz). Eigene Trauererlebnisse sollten weitestgehend verarbeitet sein, um dem Sterbenden authentisch und unbefangen begegnen zu können. Eigene Erfahrungen mit Abschied und Trauer können die Empathie zwar fördern, sollten aber nicht im Vordergrund stehen. Im Sinne einer ganzheitlichen Pflege ist es hilfreich, geduldig und strapazierfähig zu sein, sich zu engagieren und dem Schwerkranken Verantwortungsbewusstsein, Verlässlichkeit und Hilfsbereitschaft entgegenzubringen.
Ein Begleiter sollte in der Lage sein, durch Beobachtungen und aus seiner Erfahrung heraus, den Zustand des Sterbenden zu erkennen. Außerdem sollte er sich in seiner Rolle als Begleiter bzw. Pflegender sicher fühlen, denn nur so kann Sicherheit auch an den Patienten weitervermittelt werden.
Eine der wichtigsten Aufgaben des Begleiters ist, die Bedürfnisse und die Wünsche des sterbenden Menschen wahr- und ernst zu nehmen, das heißt, ihm im Sterben seine Würde zu bewahren oder sie ihm ggf. sogar wieder zurückzugeben, denn im Laufe ihrer "Patientenkarriere" haben Schwerkranke oft schon entwürdigende Situationen erlebt. Dabei gilt die oben genannte Prämisse, dass der Patient bestimmt, was er selbst als würdevoll empfindet. Er soll so sterben dürfen, wie wir alle auch leben möchten: seiner selbst gemäß.
Die meisten Menschen haben den Wunsch, zuhause im Bett zu sterben, doch dieser kann nur Wenigen erfüllt werden. Dennoch sollte der Sterbende auch im Pflegeheim oder Krankenhaus das Gefühl von Zuwendung und Sicherheit bekommen. Dazu gehört auch die Umgebung, in der er sich befindet. Das Zimmer sollte hell und freundlich, geräumig, sauber und aufgeräumt sein. Ist der Sterbende schon lange im Pflegeheim, so sollte er auch in seinem vertrauten Zimmer bleiben, notfalls sollte der Bettnachbar in ein anderes Zimmer verlegt werden. Die Ausstattung des Zimmers sollte nach den Wünschen des Sterbenden (persönliche Gegenstände) erfolgen und außerdem ist regelmäßig für frische Luft zu sorgen, wobei Zugluft vermieden werden sollte.
Bei der Begleitung Sterbender werden deren Bedürfnisse in körperlicher, psychischer, sozialer und spiritueller Hinsicht berücksichtigt. Was dabei als wichtig oder unwichtig, angenehm, unangenehm oder als Leiden empfunden wird, entscheidet der Sterbende selbst und nicht das "wohlmeinende" Umfeld.
Aus vielen Befragungen geht hervor, dass der Wunsch nach einem schmerzfreien Sterben einen sehr hohen Stellenwert hat. Dank der heutigen Medizin ist es möglich, diesen Wunsch nach Schmerzfreiheit meist zu erfüllen; auch spezielle Lagerungstechniken und andere Methoden des Schmerzmanagements kann den Schmerzen entgegenwirken. Die Dosierung von Schmerzmedikamenten sollte dem Befinden und Wünschen des Sterbenden angepasst sein und nicht etwa den Vorstellungen von Angehörigen, Pflegenden oder des Arztes. So möchte der eine Patient völlig schmerzfrei sein und nimmt dafür die Beeinträchtigung seines Bewusstseins in Kauf; ein anderer Patient versucht, Schmerzen so lange wie möglich auszuhalten und lehnt jegliche Hilfsangebote bzw. Medikamente ab. Originalaussage eines Patienten: "Ich möchte den Schmerz spüren - nur so kann ich verstehen und akzeptieren, daß mein Leben enden muss."
Durch die unterschiedlichen Ansichten der Beteiligten kann es bei diesem Thema (wie auch bei den Themen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr) zu Konflikten kommen, da manchmal Vorstellungen vom "idealen Sterben" herrschen, die mit der Realität oft nicht zu vereinbaren sind, z.B. die Meinung, es müsse sich der Schwerkranke unbedingt "mit seinem Sterben auseinandersetzen" oder ein "innerer Konflikt noch aus der Welt geschafft" werden, bevor er "loslassen" könne. Begleiter sollten auch hier in ihrer Rolle bleiben und nicht ihre persönlichen Ansichten über die tatsächlichen Bedürfnisse des Sterbenden stellen.
Viele Sterbende wünschen sich am Lebensende nichts als Ruhe. Wenn sie dazu Medikamente erhalten, die das gewährleisten, so ist das keine "Ruhigstellung" (Sedierung) oder "Betäubung" im negativen Sinne, sondern entspricht zumindest ansatzweise dem oftmals geäußerten, ernst zu nehmenden Wunsch, "einzuschlafen und nicht mehr aufzuwachen". Einige Patienten bestehen aus genau diesem Wunsch darauf, dass eine Palliative Sedierung eingeleitet wird, was im Vorfeld wohlüberlegt werden sollte. Die dazu notwendigen Diskussionen und Konsequenzen - wenn es tatsächlich zur Durchführung kommt - erfordern von den jeweiligen Begleitern eine große Stabilität, um solch eine Entscheidung zu akzeptieren und mit(er)tragen zu können.
Die Sterbebegleitung kann im Pflegeheim sehr unterschiedlich organisiert werden, z. B.
Sterben ist eine Krise, sogar die Lebenskrise schlechthin. Die Veränderungen, die mit dem Sterben einhergehen, wirken sich aber nicht nur auf den Kranken selbst aus, sondern auch auf sein gesamtes Umfeld. Hier werden aber zunächst die Aspekte betrachtet, die den Sterbenden selbst betreffen:
Eine ganz wesentliche Fähigkeit eines Begleiters ist, sich für den Patienten und für seine Anliegen Zeit zu nehmen, denn nur so kann ein Gefühl des Angenommen-Werdens entstehen.
Anhand der "Zeitpyramide" werden die Faktoren, die im Zusammenhang mit der Zeit in der Begleitung berücksichtigt werden müssen, dargestellt:
Dieser Artikel ist eine Teilkopie aus Pflegewiki. Den ganzen Artikel gibt es hier:[2] Weitere Literaturhinweise:[3]. Zur Versionsgeschichte des Artikels:[4] Hauptautorin ist: [5]
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