Fissura Santorini
nach dem italienischen Anatomen Giovanni Domenico Santorini (1681–1737)
Englisch: fissure of Santorini, fissure of the external auditory canal
Synonyme: Santorini-Fissur, Fissur des äußeren Gehörgangs, Fissura meatus acustici externi
Definition
Die Fissurae Santorini sind kleine, knorpelige Spalten im vorderen und unteren Wandabschnitt des knorpeligen äußeren Gehörgangs (Pars cartilaginea meatus acustici externi).
Anatomie
Die wenige Millimeter breiten Fissurae Santorini entstehen durch Unterbrechungen zwischen den knorpeligen Halbringen, aus denen der Gehörgang aufgebaut ist. Gewöhnlich liegen 3-4 kleine Spalten vor, teils asymmetrisch und interindividuell stark variabel. Sie sind mit Bindegewebe und Gefäßen ausgefüllt, gelegentlich auch mit kleinen Gefäß-Nerven-Strängen oder Lymphbahnen durchzogen. Sie stellen Verbindungskanäle zwischen dem äußeren Gehörgang und den umgebenden Weichteilräumen her, insbesondere mit der Parotisloge und der Fossa infratemporalis.
An der Schädelbasis liegen sie in topographischer Nähe zur:
- Fissura petrotympanica (Glaser-Spalte): Verbindung zwischen Paukenhöhle und Kiefergelenkregion
- Fissura tympanomastoidea: markiert den Übergang zwischen knöchernem und knorpeligem Gehörgang
Embryologie
Embryologisch entstehen die Fissurae Santorini durch unvollständige Fusion der Knorpelanteile, die sich aus der zweiten Kiemenbogenanlage (Reichert-Knorpel) entwickeln. Während die knöcherne Pars ossea des Gehörgangs aus der Paukenplatte des Schläfenbeins hervorgeht, bleibt der vordere Abschnitt als elastischer Knorpelring bestehen, dessen Segmente über Bindegewebe verbunden sind. Die Persistenz dieser unvollständigen Verschmelzungen bildet die Fissuren. Sie sind physiologisch und stellen keine Entwicklungsstörung dar – ihr Ausprägungsgrad ist jedoch individuell verschieden.
Physiologie
Die Fissuren dienen dem Druckausgleich und der Beweglichkeit des Gehörgangs gegenüber der Parotisloge und der Kaumuskulatur. Während der Kieferbewegungen erlaubt die Spaltstruktur eine minimale Dehnung und Kompression des knorpeligen Meatus, wodurch die Gehörgangswand flexibel bleibt.
Klinik
Die Fissurae Santorini sind wichtige anatomische Schwachstellen, da sie potenzielle Ausbreitungswege für Infektionen darstellen:
- Otitis externa maligna: Die Fissuren sind ein potenzieller Kanal für die Ausbreitung von Pseudomonas aeruginosa aus dem äußeren Gehörgang in die Weichteile der Parotisloge und weiter in die Schädelbasis. Über perineurale Bahnen und venöse Verbindungen kann der Erreger entlang der Fissuren bis zum Foramen stylomastoideum und Foramen jugulare vordringen.
- Parotitis: Entzündungen der Glandula parotis können retrograd über die Fissuren in den Gehörgang einbrechen.
- Postoperative oder traumatische Infektionen: Nach Eingriffen im Gehörgang oder Parotisbereich können Bakterien über diese Fissuren diffundieren.
- Tumorausbreitung: Malignome des äußeren Gehörgangs oder der Parotis können über die Fissurae Santorini infiltrativ in Nachbargewebe übergreifen.
Neben den Fissurae Santorini spielt auch ein persistierendes Foramen tympanicum (Huschke) eine bedeutende Rolle als alternativer anteroinferiorer Infektionsweg. Dieses kleine, angeborene oder erworbene Dehiszenzareal im vorderen knöchernen Abschnitt des Gehörgangs verbindet den äußeren Gehörgang mit dem Kiefergelenk und der Parotisloge.