Axoninitialsegment
Synonyme: AIS, initiales Axonsegment, Triggerzone, Axonhügelbereich (ungenau), Axonanfangsstück
Englisch: axon initial segment, axon hillhock region, axon trigger zone
Definition
Das Axoninitialsegment, kurz AIS, ist ein hochspezialisierter, proximaler Abschnitt des Axons. Es befindet sich unmittelbar distal zum Soma bzw. zur Basis des Axonhügels, ist jedoch nicht mit diesem gleichzusetzen. Das AIS ist der Ort, an dem die Aktionspotentiale gebildet werden. Es fungiert als funktionelle Schnittstelle zwischen dem somatodendritischen Kompartiment und dem Axon und nimmt damit eine Schlüsselrolle bei der neuronalen Informationskodierung ein.
Histologie
Histologisch ist das AIS durch klassische Färbemethoden nicht klar abgrenzbar, es lässt sich jedoch immunhistochemisch anhand bestimmter Markerproteine identifizieren. Es handelt sich um eine 20 bis 60 µm lange Region, deren Länge und Position entlang des Axons je nach Zelltyp variieren kann.
Charakteristische molekulare Marker und Strukturen sind u.a. Ankyrin-G, βIV-Spectrin, Nav-Kanäle (v.a. Nav1.2 und Nav1.6 ), Kv-Kanäle (v.a. Kv1 und Kv7), Neurofascin-186 (NF186).
Das AIS besitzt eine hochorganisierte, elektronendichte Struktur mit einer regelmäßigen Anordnung von Zytoskelettkomponenten, insbesondere einem Aktin-Spektrin-Komplex, der in einem periodischen Muster (ca. 190 nm Abstand) angeordnet ist („membrane-associated periodic skeleton“, MPS). Sie wird auch subplasmalemmale Verdichtungszone genannt.
Physiologie
Das Axoninitialsegment ist der primäre Ort der Bildung von Aktionspotentialen in Neuronen. Dies wird durch eine hohe Dichte spannungsabhängiger Natriumkanäle (v.a. Nav1.2 und Nav1.6) ermöglicht, die dort eine niedrige Schwelle für die Auslösung elektrischer Signale gewährleisten. Darüber hinaus reguliert das AIS die neuronale Erregbarkeit durch das Zusammenspiel von depolarisierenden Natrium- und hyperpolarisierenden Kaliumkanälen.
Das AIS fungiert als funktionelle Barriere, welche die molekulare Kompartimentierung zwischen Soma und Axon aufrechterhält und somit eine klare Trennung von somatodendritischen und axonalen Proteinen gewährleistet. Dadurch wird die gerichtete orthodrome Informationsweiterleitung im Neuron unterstützt.
Das AIS ist strukturell und funktionell plastisch. Positionsverlagerungen, Längenveränderungen und der molekulare Kanalbesatz können variieren und so die Erregungsschwelle und Reaktionsfähigkeit eines Neurons verändern. Diese Plastizitätsmechanismen können durch neuronale Aktivität, Entwicklungsprozesse oder pathologische Zustände (z.B. Epilepsie, axonale Verletzungen) ausgelöst werden.
Klinik
Störungen in der Organisation oder Funktion des AIS können schwerwiegende neurophysiologische Einschränkungen verursachen. So werden Veränderungen in der AIS-Architektur mit neurologischen Erkrankungen wie Epilepsie, Autismus-Spektrum-Störungen, Multipler Sklerose und neurodegenerativen Erkrankungen (z.B. ALS) in Verbindung gebracht. Auch Autoantikörper gegen AIS-Komponenten (z.B. Neurofascin) spielen in der Immunneurologie eine Rolle (z.B. bei chronisch-inflammatorischer demyelinisierender Polyneuropathie, CIDP).
Literatur
- Alberts et al.: Molecular Biology of the Cell. 7th Edition, Garland Science, 2022.
- Kandel E. et al.: Principles of Neural Science. 6th Edition, McGraw-Hill Education.
- Pape/Kurtz/Silbernagl: Physiologie. 10., vollständig überarbeitete Auflage, Thieme, 2023.
- Welsch/Kummer/Deller: Histologie. 6. Auflage, Elsevier, 2022.
- Lüllmann-Rauch: Taschenlehrbuch Histologie. 7. Auflage, Thieme, 2024.